Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

Uebersicht der Ereignisse des Jahres 1867. 557 
Verfassung und Haftbarkeit aller Organe der Regierung für jeden bestere 
durch einen ungesetzlichen Act irgendwem zugefügten Schaden; un- teich. 
beschränktes Steuer= und Recrutenbewilligungsrecht durch die Volks- 
vertretung 2c., alle diese Rechte und Bürgschaften wurden gefordert 
und zugestanden. Noch vor Ende des Jahrs erhielten die sämmt- 
lichen Staatsgesetze, die sie gewährleisteten, die Sanction des Kaisers. 
Die schwierigste Frage war indeß die des Concordats; auch sie 
mußte gelöst werden. Schon im Juli beschloß der Reichsrath auf 
den Antrag Herbsts, einen sog. confessionellen Ausschuß niederzusetzen 
und denselben mit der Ausarbeitung von Gesetzentwürfen bez. Wie- 
derherstellung des bürgerl. Eherechts, Emancipation der Schule von 
der Kirche und Regelung der interconfessionellen Verhältnisse zu be- 
auftragen. Die Absicht war, eine directe Aufhebung des Concordats, 
die vielleicht auf fast unübersteigliche Hindernisse stoßen, jedenfalls 
den Entscheid verzögern könnte, zu vermeiden und dasselbe lieber 
bloß thatsächlich zu durchbrechen, aber sofort und auf den entschei- 
denden Gebieten. Die Regierung suchte auszuweichen und meinte, 
erst den Weg conciliatorischer Verhandlungen mit der Kirche betreten 
zu wollen, um so „selbst den Anschein der Mißachtung bestehender 
Vertragsverhältnisse zu vermeiden“. Allein die übergroße Mehrheit 
des Reichsraths war überall nicht der Ansicht, daß das Concordat 
ein Vertrag sei und hatte noch weniger Lust, sich durch Verhand- 
lungen mit Rom lediglich hinhalten zu lassen, indem an ein Nach- 
geben Roms erfahrungsgemäß gar nicht zu denken sei, als wenn 
man ihm vollendete Thatsachen entgegensetze. Der Antrag auf Unter- 
handlungen mit Rom wurde fast einstimmig abgelehnt, derjenige 
Herbsts mit 134 gegen bloß 22 Stimmen angenommen. Der Sturm 
ließ sich offenbar nicht mehr abwenden. Die Regierung suchte ihrer- 
seits zu beschwichtigen: noch im Juli wurde die endliche Einsetzung 
eines evangelischen Oberkirchenraths beschlossen und der devote Ver- 
treter in Rom, Hr. v. Hübner, nach Wien berufen, um nicht wieder 
dahin zurückgeschickt zu werden. Die öffentliche Meinung verlangte 
indeß entschiedenere Schritte. Ende August beschloß der Wiener Ge- 
meinderath, eine Petition um Abschaffung des Concordats an den 
Reichsrath zu richten und in den ersten Tagen Septembers trat ein 
allg. österr. Lehrertag in Wien zusammen, der sich sofort zu einer 
großartigen Demonstration gegen das Concordat gestaltete. Umsonst
	        
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