Uebersicht der Ertignisse des Jahres 1867. 559
Abgeordnetenhaus zwei Gesetzentwürfe, von denen einer das bürger-vester-
liche Eherecht wieder herstellte und die Einführung der Civilehe we- *
nigstens anbahnte, der andere aber die Schule, den Religionsunter-
richt natürlich ausgenommen, der Obhut des Clerus, unter dessen
Händen sie verkümmert war, entschieden entzog, durchberathen und
mit großer Majorität angenommen; zu Anfang 1868 folgte ihnen
auch das dritte Gesetz bez. der interconfessionellen Verhältnisse. Im
März d. J. wurden alle drei nach einem heftigen und entscheidenden
Kampfe, dem so zu sagen ganz Europa mit Spannung folgte, vom
Herrenhause genehmigt und sämmtliche drei Gesetze im Mai vom
Kaiser sanctionirt. Der Rubicon war überschritten. Was wird nun
aber Rom thun? Diese Frage schwebte alsbald auf Aller Lippen.
Nachdem auch das Herrenhaus gesprochen, sandte der Kaiser den
Erzbischof Haynald nach Rom, um den Papst davon in Kenntniß
zu setzen und darauf vorzubereiten, daß der Kaiser entschieden nicht
in der Lage sei, den drei Gesetzen seine Unterschrift zu verweigern.
Und nachdem diese wirklich ertheilt war, ging der Frhr. v. Meysenbug
in specieller Mission nach Rom ab, es dem heil. Stuhl zu noti-
fiziren und ihn in aller Ehrfurcht darauf aufmerksam zu ma-
chen, was der Kirche in Oesterreich immer noch geblieben sei —
die volle Garantie ihres reichen irdischen Besitzes und die vollste
Freiheit auf ihrem eigensten, rein kirchlichen Gebiete — um ihn
von unzeitigen Schritten in seinem eigensten Interesse zurückzu-
halten. Aber noch einmal siegte in Rom der Geist unbeugsamen
Beharrens und unbedingten Anspruchs auf Herrschaft auch über den
Staat, der Geist des Syllabus gegen die ganze übermächtige Ent-
wickelung der Zeit. Was der Kaiser so gerne vermieden und abge-
wendet hätte, erfolgte doch: im Juni 1868 hielt der Papst eine öf-
fentliche Allocution, in der auch er weit über die Schranken hinaus-
schritt, die ihm das Gewissen der Zeit zugleich zieht und einräumt,
und nicht bloß die speciell gegen des Concordat gerichteten Gesetze,
sondern auch die im Dec. 1867 beschlossenen und sanctionirten
Staatsgesetze als abominabiles leges verwarf und verdammte, alle
diejenigen aber, die zu denselben mitgewirkt, also auch den Kaiser
selbst, für den Kirchenstrafen verfallen erklärte. Der Erfolg war
vorauszusehen: die Blitze des Vaticans haben längst ihre zündende
Kraft verloren, Oesterreich denkt nicht daran, nachzugeben, es wurde