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Uebersicht der Ereignisse des Jahres 1867.
Preußen, den Befreiungskriegen dieses Volk würdig erscheinen lassen, an die
Spitze der gesammten deutschen Nation zu treten; und der preuß.
Regierung oder vielmehr dem eminenten Staatsmanne, der an ihrer
Spitze steht, ist es gelungen, die ersten, festen Grundlinien des künf-
tigen deutschen Nationalstaates mit sicherer Hand zu ziehen. Aber
derselbe eminente Staatsmann würde sich einem verhängnißvollen
Irrthum hingeben, wenn er der Meinung wäre, daß der große vier-
jährige Conflict gelöst sei; er ist beseitigt, aber nicht gelöst; die
unterlegene Partei war mit nichten durchaus im Unrecht und selbst
derjenige Theil dieser Partei, der sich heute noch nicht versöhnen
will, ist mit nichten auch in seiner heutigen Opposition durchaus im
Unrecht; die siegende Partei hat nur gesiegt, weil sie ihr Führer
gegen ihren Willen in eine Bahn mit sich fortriß, die dem tiefsten
Bedürfniß der Zeit entsprach, dem sie dienen mußte und seither
dienen muß, das sie aber guten Theils nicht versteht und nicht ver-
stehen will. Der große Sieg des J. 1866 hat mit seinem blen-
denden Glanze viele Schäden zugedeckt, aber sie bestehen darum doch
und Vieles, gar Vieles ist in Preußen nicht zum Untergang, aber
zur Reform vollkommen reif; diese Reform mag mit schonender Hand
begonnen und durchgeführt werden, aber sie muß in Angriff genom-
men werden, rasch und sicher, auch wenn es schmerzk, und unter dem
sammtenen Handschuh muß die Hand selber eine eiserne sein. Die
Conflictszeit hat Schwächen, Schäden und Gebrechen der liberalen
Partei zu Tage gelegt, sie hat sie gebüßt; aber sie hat auch nicht
minder schwere Gebrechen der damals und heute noch in Preußen herr-
schenden Partei bloß gelegt, die noch nicht gesühnt sind und deren
Wunden heute noch brennen. Preußen selber muß vielfach ein an-
deres werden, wenn es seinen „Beruf“ wirklich erfüllen will, viel-
fach ein anderes, wenn es die Schwierigkeiten, die ihm die neuen
Erwerbungen in seinem eigenen Innern bereiten, nicht bloß bewälti-
tigen, sondern lösen soll, vielfach ein anderes, wenn der nordd. Bund
eine Wahrheit werden und nicht bloß, was heute noch mehr oder
weniger der Fall ist, von der Gnade Preußens leben soll, vielfach
ein anderes, wenn es auch Süddeutschland gewinnen und ganz
Deutschland auf die Höhe des deutschen Nationalstaates führen soll.
Die Art des Widerstandes, der es auf seiner neuen Bahn begegnet,
ist freilich vielfach geeignet, schmerzliche Gefühle zu erregen und