Utbersicht der Ertignisse des Jahres 1867. 563
schlägt oft dem einfachsten gesunden Menschenverstand geradezu ins Preußen.
Antlitz. Aber auch da liegt der Fehler nicht bleß. auf der einen
Seite. Dem preuß. Particularismus gegenüber ist der schwäbische
oder bayerische durchaus in seinem Recht und wenn schließlich der
erstere als der mächtigere siegen sollte, so wäre mit diesem zugleich
Deutschland selber unterlegen. Die nächsten Jahre müssen die Ent—
scheidung bringen, zur Zeit schwankt das Zünglein der Wage noch
hin und her.
Am 15. Nov. 1867 trat der preuß. Landtag zusammen; die
Session zog sich bis ins J. 1868 hinaus. Seine Hauptaufgabe
war, das Budget für 1868, von dem zum ersten Mal seit der
Gründung des nordd. Bundes eine Reihe von Posten, voraus der
ganze Militäretat verschwunden war, zu berathen und das haupt-
sächlichste politische Interesse concentrirte sich auf die Frage der Aus-
scheidung eines Provinzialsonds für Hannover, an die sich sofort die
Frage einer gleichen Maßregel nicht bloß auch für die andern erst
annectirten Landestheile, sondern gleichmäßig auch für die alten preuß.
Provinzen knüpfte. Die Maßregel für Hannover setzte Graf Bis-
marck gegen die feudale Partei durch. Bezüglich einer Ausdehnung
der Maßregel sprach sich die Regierung dagegen nicht unzweideutig
aus. Die Frage ist nicht bloß für Preußen, sondern für ganz Deutsch-
land, für die eigentlich deutsche Frage, von eminenter Bedeutung.
So wenig die deutsche Frage ihre schließliche Lösung darin finden
wird, daß die Bundescentralgewalt neuerdings in irgend einer Weise
wiederum in föderalistischer Weise zusammengesetzt wird, so wenig
kann es sich darum handeln, den einzelnen preuß. Provinzen irgend
wie eine Art politischer Autonomie zu übertragen und so Preußen
gewissermaßen föderalistisch umzugestalten — das eine wie das an-
dere sind süddeutsche Träume, die auch nicht die mindeste Aus-
sicht auf Verwirklichung haben. Aber ebenso sehr es dem Geiste
der Nation entspricht, ihren einzelnen Gliedern, abgesehen von den
gemeinsamen Angelegenheiten der Diplomatie, des Heerwesens und
der großen Verkehrsinteressen, deren oberste Leitung unter der
Controle des Parlaments durchaus in einer Hand sein muß,
für alles übrige die volle Selbständigkeit und Selbstthätigkeit
unter ihren alten Dynastien zu lassen, ebenso entschieden ent-
spräche es diesem Princip und dem Geiste der Zeit, den Pro-
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