Preußen und der norddeutsche Bund. 71
5. März. (Preußen). Auch gegen den Abg. Jacoby wird eine Un-
tersuchung eingeleitet wegen der Berliner Resolutionen v. 12. April 1866.
6 ,„ (Norddeutscher Bund). Der Reichstag nimmt definitiv die
Geschäftsordnung des preuß. Abgeordnetenhauses an und beschließt,
den Verfassungsentwurf nicht an eine Commission zu verweisen,
sondern im Plenum vorzuberathen.
8. „ (Preußen: Schleswig). Der Reg.-Präs. v. Zedlitz erklärt den
Unterzeichnern der nordschleswigschen Eingabe an den König, daß
S. Mai. es nicht angemessen gefunden habe, sie auf ihr Gesuch zu
bescheiden.
9. „ (Norddeutscher Bund). Reichstag: Beginn der General-
debatte über den Verfassungsentwurf. Reden von Twesten, Waldeck
und Migquel.
Rede Twestens (für den Entwurf, aber nur unter Wahrung des
vollen Budgetrechts auch bez. des Militäretats : „ës scheint mir für
die Consolidation der Verhältnisse in Deutschland, für die Stärkung der
Regierung sowohl, als für die Gewinnung des Volkes in Deutschland von
so überwiegendem Nutzen, eine Bundes-Verfassung, selbst eine solche, die den
Idealen und Wünschen der Vergangenheit nicht entspricht, überhaupt für so
nothwendig, daß ich jeden anderen Ausweg einem solchen, wie ich ihn eben
andeutete, vorziehen würde, und ich meine, der einzige Ausweg, der mit
Recht getroffen werden kann, ist, daß die Bundes-Verfassung mindestens die-
selben Bestimmungen über die Gesetzgebung und über das Budgetrecht auch
in Bezug auf das Militärwesen enthält, wie sie die preußische Verfassung
enthält, daß also die jährliche Feststellung des Budgets in der Verfassung
ausgesprochen und ein= wie allemal erfolgen müßte. Nun ist hier allerdings
aber der Umstand ins Auge zu fassen, daß die Bildung der norddeutschen
Armee doch noch nicht vollendet ist, sondern sich noch im Flusse befindet, daß
die Bildung der Armee auf der bisherigen preußischen Grundlage erst er-
folgen soll, daß deßhalb in den nächsten Jahren die Feststellung eines der
Sachlage entsprechenden detaillirten Budgets. mit vielleicht unüberwindlichen
Schwierigkeiten verknüpft sein könnte. Es kommt noch hinzu, daß wir es
uns nicht verhehlen können: Die politischen Verhältnisse Europa's sind außer-
ordentlich gespannte. Mehr als je wird in allen Ländern Europa's der
Staat in ein Heerlager verwandelt, die Rüstungen vervollkommnet und er-
weitert. Und dem gegenüber, meine Herren, diesem Ausnahme-Zustande
gegenüber, würde ich geneigt sein, für die Zeiten möglicher Gefahr, d. h.
für die nächsten Jahre, der preußischen Regierung ein größeres Gebiet des
freien Gebahrens zu überlassen, als ich mich dazu unter anderen Umständen
für berechtigt erachten würde. Deßhalb würde ich allerdings neben der ver-
fassungsmäßigen Feststellung eines jährlich festzustellenden Budgets für be-
rechtigt halten, ein Pauschauantum und einen Verzicht auf gesetzliche Fest-
stellung der Militär-Organisation für die nächsten Jahre zu bewilligen, wenn
die königliche Staats-Regierung derartige Vorschläge machte, derartige Be-
stimmungen neben der anderen, unbedingt festzuhaltenden Bestimmung ver-
langte. Und, meine Herren, wenn die liberalen Parteien geneigt sind, von
ihren bisherigen Anforderungen eines parlamentarischen Regimes erheblich
nachzulassen, wenn sie bereit sind, sich der Gefahr auszusetzen, daß die preu-
bische Versassung tief erschüttert werde, ohne daß durch die Bundes-Ver-
fassung eine genügend ausreichende Compensation gewährt wird; wenn sie
sich darein ergeben, den Einfluß des Volkes und der Volksvertretung auf
den Staat schmälern zu lassen durch das Nebeneinanderstellen zweier Ver-