Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

 
74        Preußen und der norddeutsche Bund. 
Verfassung herzustellen, in welchem die Einheit Deutschlands einerseits auf 
ewig verbürgt werde und auf der anderen Seite jeder particularistischen 
Richtung die freie Bewegung gesichert bliebe. Einen solchen Stein der Weisen, 
wenn er zu finden wäre, zu entdecken, müssen wir der Zukunft überlassen, 
eine solche Quadratur des Zirkels der Lösung um einige Decimalstellen näher 
zu bringen, ist nicht die Aufgabe der Regierung. Wir haben in Erinnerung 
und richtigen Schätzung diejenigen widerstrebenden Kräfte, welche die früheren 
Versuche in Frankfurt und Erfurt so wenig wie möglich fördern wollten; 
wir haben es für unsere Aufgabe gehalten, ein Minimum derjenigen Con- 
cessionen zu sinden, welche die Sonderexistenzen auf dem deutschen Gebiet der 
Allgemeinheit machen müssen, wenn diese lebensfähig werden soll. Wir mögen 
das Elaborat, das zu Stande gekommen ist, mit dem Namen einer Ver- 
fassung bezeichnen, oder nicht; das thut zur Sache nichts. Wir glauben aber, 
daß, wenn es angenommen wird, für Deutschland die Bahn freigemacht ist, 
und daß wir das Vertrauen zu dem Genius des deutschen Volkes haben 
können, daß es auf dieser Bahn den Weg zu finden missen wird, der zum 
Ziele führt. Wenn zu diesem Zwecke nach unserer Ansicht wenigstens das 
Gegebene hinreicht, so begreise ich vollständig, daß viele Wünsche unbefriedigt 
bleiben, ich begreife aber nicht, wie man, weil diese Wünsche unerfüllt ge- 
blieben sind, das Gebotene ablehnen will, und dabei doch behauptet, man 
wolle überhaupt eine Verfassung, die Deutschland zur Einheit führen könnte. 
Es sind Einwendungen bisher laut geworden und Wünsche geltend gemacht 
nach zwei Seiten, ich möchte sagen von unitarischer und particularistischer 
Seite. Von der unitarischen dahin gehend, daß man auch von diesem Ver- 
fassungs-Entwurf wie von früheren die Herstellung eines constitutionellen 
verantwortlichen Ministeriums erwartet habe. Meine Herren, wer sollte denn 
dieses Ministerium ernennen? Einem Consortium von 22 Regierungen 
wäre die Aufgabe nicht zuzumuthen; es würde sie nicht erfüllen können. 
Ausschließen können Sie aber 21 von 22 Theilnehmern von der Erfüllung 
der Executive eben so wenig. Es wäre dieser Anforderung nur dadurch zu 
genügen, daß eine einheitliche Spitze mit monarchischem Charakter geschassen 
würde. Dann aber, meine Herren, haben Sie kein Bundesverhältniß mehr, 
dann haben Sie die Mediatisirung derer, denen Sie diese monarchische Ge- 
walt nicht übertragen. Diese aber ist von unsern Bundesgenossen weder be- 
willigt, noch von uns erstrebt worden. Es ist hier angedeutet worden, man 
könne sie mit Gewalt erzwingen; von anderer Seite, sie werde sich zum Theil 
von selber ergeben, und letzteres von einer mir nahestehenden Seite. Ich 
erwarte dieses nicht in dem Maße und glaube nicht, daß die deutschen Fürsten 
in größerer Anzahl bereit sein werden, ihre jetzige Stellung mit der eines 
englischen Peers zu vertauschen. Wir haben ihnen diese Zumuthung niemals 
gemacht und beabsichtigen sie nicht zu machen. Noch weniger aber kann ich 
als unsere Aufgabe betrachten, etwa im Sinne des Vorredners auf die Ge- 
walt, auf die Uebermacht Preußens in diesem Bunde sich zu berufen, um 
eine Concession zu erzwingen, die nicht freiwillig entgegengetragen wird. 
Eine solche Gewalt könnten wir am allerwenigsten gegen Bundesgenossen er- 
heben, die im Augenblick der Gefahr treu zu uns gestanden haben, eben so 
wenig gegen Bundesgenossen, mit denen wir soeben erst einen ewigen Frieden 
errichtet und besiegelt haben. Durch Gewalt sind weder die Fürsten Deutsch- 
lands noch das Volk Deutschlands zu gewinnen. Ich meine, meine Herren, 
die Basis dieses neu zu schaffenden Verhältnisses soll das Vertrauen zu der 
Vertragstreue Preußens sein und dieses Vertrauen, meine Herren, darf nicht 
erschüttert werden, so lange gegen uns diese Vertragstreue gehalten wird. 
Es ist von einem Vorredner angespielt worden auf die Erklärungen, die im 
Sinne einer einheitlichen Reichsgewalt von einigen Verbündeten im Schluß- 
Protokoll niedergelegt seien. Ich kann nur bedauern, daß diese Erklärungen 
erst am Schluß des Protokolls zu Tage getreten sind. Wären sie in der
	        
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