86 Preußen und der norddeutsche Bund.
gesetze und die Ueberwachung der Ausführung derselben zu. Die Anordnungen
und Verfügungen des Bundes-Präsidiums werden im Namen des Bundes
erlassen und bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Bundes-
kanzlers, welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt".
27. März. (Preußen) setzt England vertraulich von dem holländisch-
französischen Arrangement bez. Luxemburg in Kenntniß. Lord Stanley
erklärt, daß er für seine Person eine solche Erwerbung Luxemburgs
durch Frankreich für eine rechtmäßige erachte.
28. „. (Norddeutscher Bund). Reichstag: Verfassungsdebatte. Art. 21.
Frage der geheimen Abstimmung, des Ausschlusses der Beamten und
der Schaffung eines Oberhauses.
Antrag Zachariä auf Schaffung eines Oberhauses und Ersuchen an die
verbündeten Regierungen, eine dießfällige Vorlage zu machen. Antrag
Frles, hinter die Worte „directe Wahlen“ einzuschalten „mit geheimer
Abslimmung“. Antrag des Grasen Henkel von Donnersmarck,
zu beschließen: „Beamte bedürfen keines Urlaubs zum Eintritt in den
Reichstag“.
Graf Bismarck will die Stellung der verbündeten Regierungen zu
diesem Artikel präcisiren: „Das allgemeine Wahlrecht ist uns gewisser
Maßen als ein Erbtheil der Entwickelung der deutschen Einheitsbestrebungen
überkommen; wir haben es in der Reichsverfassung gehabt, wie sie zu Frank-
furt entworfen wurde, wir haben es im Jahre 1863 den damaligen Be-
strebungen Oesterreichs in Frankfurt entgegen gesetzt, und ich kann nur
einfach sagen, ich kenne wenigstens kein besseres Wahlgesetz. Es hat gewiß
eine große Anzahl von Mängeln, die machen, daß auch dieses Wahlgesetz
die wirkliche besonnene öffentliche und berechtigte Meinung eines Volkes nicht
vollständig photographirt und en miniature wiedergibt, und die verbündeten
Regierungen in ihrer Allgemeinheit hangen an diesem Wahlgesetze nicht in
dem Maße, daß sie nicht jedes andere acceptiren sollten, dessen Vorzüge vor
diesem ihnen nachgewiesen worden. Bisher ist diesem kein einziges gegen-
über gestellt worden; ich habe nicht einmal cursorisch im Laufe der Reden
ein anderes diesem gegenüber rühmen hören. Ich will damit nur motiviren,
daß verbündete Regierungen, die schon gewisser Maßen eine republikanische
Spitze, die in dem Worte „verbündete Regierungen“ liegt, haben, keines-
wegs ein tief angelegtes Complot gegen die Freiheit, gegen die freie Bour-
geoisie in Verbindung mit den Massen und unter Errichtung eines cäfarischen
Regiments beabsichtigt haben können. Wir haben einfach genommen, was
vorlag und wovon wir glaubten, daß es am leichtesten sein würde, und
haben weitere Hintergedanken nicht dabei gehabt. Was wollen denn die
Herren, die das anfechten, und zwar mit der Beschleunigung, deren wir be-
dürfen, Anderes an deren Stelle setzen? Etwa das preußische Dreiklassen-
System? Ja, meine Herren, wer dessen Wirkung und die Constellation, die
es im Lande schafft, etwas in der Nähe betrachtet hat, muß sagen, ein
widersinnigeres, elenderes Wahlgesetz ist noch nicht in irgend einem Staate
ausgedacht worden. Ein Wahlgesetz, das alles Zusammengehörige aus-
einanderreißt und Leute zusammenwürfelt, die nichts miteinander zu thun
haben, das in jeder Commune mit anderem Maße mißt: Leute, die in
irgend einer Gemeinde weit über die erste Klasse hinausreichen, die sie allein
ausfüllen würden, zu einer benachbarten Commune in die dritte Klasse
wirft — in Gemeinden von drei Besitzern, die jeder ungefähr 200 Thlr.
Steuern bezahlen, zwei in die erste Klasse wirft, und der dritte, der 7 Silber-
groschen weniger bezahlt, als der vorhergehende, in die zweite kommt, wo der
nächste mit 5 Thlr. Steuern anfängt, und von bäuerlichen Besitzern mit
5 Thlr. Steuern wieder eine gewisse Anzahl zu Haus mit 4 Thlr. 5 Sgr.