Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

 
88              Preußen und der norddeutsche Bund. 
vativen willkommen sein. Es ist das ein Hemmschuh, der an der Staats- 
maschine angebracht wird, um auf abschüssigen Stellen ein zu rasches Ab- 
gleiten zu hindern; es ist eine noch stärkere Betheiligung derjenigen, die 
etwas zu verlieren haben an dem Staatswesen, also derjenigen, die nicht ge- 
neigt sind auf Kosten des Staates zu hoch zu spielen, weil ihr Einsatz zu 
stark sein würde. Es ist die Uebertragung eines der wesentlichsten Vorzüge 
der englischen Einrichtungen auf unsere Zustände, eines Vorzuges, den ich darin 
suche, daß es in England eine große Anzahl annäherud königlicher Existenzen 
gibt. Ich will hier näher erläutern, was ich darunter verstehe: Gänzlich 
desinteressirte Existenzen, die auf dieser Welt eigentlich nichts Erhebliches zu 
wünschen haben, was sie verleiten könnte, anders als nach ihrer wohlbedachten 
ruhigen Ueberzeugung vom Besten das Staatswohl zu beurtheilen. Das halte 
ich für einen außerordentlichen Vorzug der englischen Verfassung. Man ex- 
perimentirt dort nicht sehr leicht, weil diejenigen, die dort experimentiren 
würden, zusammen einen gewaltig hohen Einsatz von Vermögen und Wohl- 
sein repräsentiren. Aber nichts desto weniger haben wir nicht geglaubt, die 
schon so complicirte Maschinerie der Verfassung durch das Eiuschieben eines 
dritten, oder wenn Sie wollen, vierten Gliedes noch schwerfälliger zu machen. 
Es ist mir an und für sich nicht leicht, mir ein deutsches Oberhaus zu 
denken, das man einschieben könnte zwischen den Bundesrath, der, ich wieder- 
hole es, vollkommen unentbehrlich ist als diejenige Stelle, wo die Souverainetät 
der einzelnen Staaten fortfährt, ihren Ausdruck zu finden, — also zwischen 
den Bundesrath und den Reichstag ein Mittelglied einzuschieben, welches dem 
Reichstage in seiner Bedeutung auf der Stufenleiter der Aristokratie einiger 
Maßen überlegen wäre und dem Bundesrathe und dessen Vollmachtgebern 
hinreichend nachstände, um die Classification zu rechtfertigen. Wir würden 
in dem ersteren nicht souveraine Personen, aber Mitglieder haben, die ihrer- 
seits geneigt sind, zu rivalisiren mit den minder mächtigen Souverainen in 
ihrer socialen Stellung. Es ist wichtig, sich diese Einschiebung klar zu 
machen: der Bundesrath repräsentirt bis zu einem gewissen Grade ein Ober- 
haus, in welchem Se. Majestät von Preußen primus inter pares ist, in 
welchem der Ueberrest des hohen deutschen Adels, der die Landeshoheit ge- 
wahrt hat, seinen Platz findet. Dieses Oberhaus nun dadurch zu vervoll- 
ständigen, daß ihm nichtsouveraine Mitglieder beigefügt werden, das halte 
ich praktisch für zu schwierig, um die Ausführung zu versuchen. Dieses 
Oberhaus aber in seinen Bestandtheilen außerhalb des Präsidiums so weit 
herunter zu drücken, daß es einer Pairskammer gleichkommt, die von unien 
vervollständigt werden könnte, das halte ich für vollständig unmöglich und 
würde das niemals einem Herrn, wie dem König von Sachsen gegenüber, 
auch nur andeuten. Der hauptsächlichste Grund, warum wir keine Theilung 
des Reichstages vorgeschlagen haben, liegt indessen in der zu starken Com- 
plicirung der Maschine. Die Gesetzgebung des Bundes kann schon durch 
einen anhaltenden Widerspruch zwischen dem Bundesrathe und dem Reichs- 
tage zum Stillstand gebracht werden, wie das in jedem Zweikammer-System 
der Fall ist: aber bei einem gewisser Maßen Dreikammer-System zu 
nennenden, wenn ich einmal augenblicklich den Bundesrath als Kammer be- 
handeln darf, würde die Möglichkeit, die Wahrscheinlichkeit dieses Stillstandes 
noch viel näher liegen; wir würden zu schwerfällig werden. — Da ich ein- 
mal das Wort habe, so bemerke ich noch Einiges über den Schlußpassus des 
Artikels, nämlich über den Ausschluß der Beamten. Diese Bestimmung 
hat ihren Grund in den mannigfachen Uebelständen, die mit der Betheiligung 
der Beamten an öffentlichen Verhandlungen hier zweifellos verbunden und 
die hier von der Tribune aus auch schon berührt worden sind. Als einen 
derselben, der hier noch besonders maßgebend hat sein können, bezeichne ich 
die Besorgniß, daß Beamte zu sehr geneigt sein können, particularistischen 
Regungen derjenigen Bundes-Regierung Ausdruck zu geben in der Versamm-
	        
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