Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

                 Preußen und der norddeutsche Bund.  91 
vom Schutze der Ehre eines jeden Bürgers, welchen Schutz das Gesetz ihm 
schuldig ist. Diesen Schutz ihm zu entziehen, das halte ich — ich wiederhole 
es — gegen die Sittlichkeit, gegen die Menschenrechte. Unter Menschen- 
rechten lasse ich mir ausdrücklich diejenigen gefallen, welche in Frankreich im 
Jahre 1791 adoptirt wurden und in die Verfassung der Republik über- 
gegangen sind. Es heißt darin ausdrücklich, und zwar in Bezug auf die 
Freiheit der oplnions, die Jeder aussprechen könne, daß diese Freiheit darin 
bestehe, Alles zu thun, was Anderen nicht schadet. Diese Restriction legt 
selbst ein so weitgehendes Actenstück auf, wie jenes. Die Gesetzgebung 
anderer Staaten, auch die der allerfreiesten, schützen wenigstens die Privat= 
ehre. Ich berufe mich darüber z. B. auf die amerikanische, deren Be- 
stimmungen ich mir habe ausziehen lassen aus Kent, Commentaries on 
American law Vol. I. p. 244. „Obgleich ein Mitglied des Congresses 
außerhalb des Congresses nicht verantwortlich ist für Worte, welche es in 
demselben gesprochen, auch wenn dieselben beleidigend für Individuen sind, 
so kann es doch, wenn es seine Rede veröfsentlichen läßt, wegen Libells be- 
straft werden, by action (in einer Civilklage auf Schadenersatz) und by in- 
dletment, das heißt criminell. So ist es in England Rechtens und so ist 
es gerecht.“ Aus England selbst wird Ihnen ein sehr bekannter Fall in 
Erinnerung sein, nämlich der Fall Stockdale wider Hansard, wo die Ver- 
öffentlichung nicht einer Rede, sondern eines „parliamentary paper“ ober 
reports — es sind dies technische Ausdrücke für amtliche Actenstücke, die 
auf Befehl des Parlaments gedruckt werden — etwas Beleidigendes für 
einen Gefängnißwärter enthielt, welcher darüber klagbar wurde. Die eng- 
lischen Gerichte waren darüber ganz zweifellos, daß sie den Drucker wegen 
Beleidigung zu verurtheilen hätten, und thaten es. Das Parlament griff 
ein wegen Privilegienbruchs und bedrohte die Ausführung dieses gerichtlichen 
Urtheils mit parlamentarischen Strafen. Aber das Parlament hat auch bei 
diesen Gelegenheiten, wo es in den Rechtsgang eingriff, niemals die Ansicht 
ausgesprochen, Reden und Motivirungen einzelner Abgeordneten irgendwie 
zu schützen bei der Publication, sondern nur reports and papers, und so 
ist es meines Wissens noch heutzutage in England Rechtens, so daß dort 
wenigstens, in England, in Amerika und in allen übrigen civilisirten Ländern 
die Privatehre sich des vollkommen gesetzlichen Schutzes erfreut. Diese Motive, 
dieses Bedürfniß, Jedem sein Menschenrecht auf Schutz gegen Beleidigungen 
zu erhalten, leitet mich, wenn ich nach wie vor die gesetzliche Sanction der 
Veröffentlichung solcher Reden, welche injuriös für Privatleute sind, bekämpfe. 
Daß die Freiheit dadurch nicht beschränkt wird, liegt auf der Hand. Ich habe 
sofort, wie dieses Parlament zusammentrat, an sämmtliche Behörden, die 
unter der Autorität der königlichen Regierung stehen, durch die betreffenden 
Herren Ressort-Chefs die Aufforderung richten lassen, in keinem Falle gegen 
die Veröffentlichung einer Parlamentsrede einzuschreiten, es sei denn, daß sie 
zuvor an die Regierung berichtet hätten und der Fall so stark wäre, daß die 
Autorisation von der Staats-Regierung ertheilt werden müsse. Die Regierung 
wird nicht in Verlegenheit kommen, von dieser reservirten Befugniß Gebrauch 
zu machen, am allerwenigsten wird sie davon Gebrauch machen in Bezug 
auf die Angriffe, welche die Regierung selbst treffen, sie wird nur zum Schutz 
der Privatrechte gegen persönliche Beleidigung jemals davon Gebrauch machen. 
Wenn behauptet wird, daß unter dieser Einrichtung die Freiheit litte, so halte 
ich das für eine der übertriebenen Declamationen, denen ich lediglich einen 
ornamentalen Charakter in den Reden der Vertheidiger des Antrages beilege.“ 
Bei der Abstimmung wird der Antrag Lasker mit großer Mehr- 
heit angenommen (dagegen nur die Mehrheit der Conservativen und 
einzelne Mitglieder des Centrums). 
Art. 23 (Initiative des Reichstags bei der Gesetzgebung).
	        
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