94 Preußen und der norddeutsche Bund.
Luxemburg das Gefühl der Besorgniß sich nicht in offenen Kundgebungen
zeigen kann. Denn so lange man in Luxemburg sich verlassen fühlt und die
Besorgniß haben kann, daß in dem Momente der Neubildung von Deutsch-
land vielleicht solche Gelüste nicht mit der nothwendigen Energie zurück-
gewiesen werden, ist es erklärlich — wenn man es auch nicht vollständig
rechtfertigen kann —, daß ein so kleines Land nicht wagt, mit der Entschie-
denheit derartigen französischen Gelüsten gegenüber zu treten, wie wir es
allerdings wohl unter anderen Umständen von allen deutschen Volksstämmen
erwarten können. Um so mehr ist die Pflicht an uns herangetreten, an den
Reichstag, die Vertretung der Nation, und an die Bundes-Commissare, in
Deutschland und im Auslande und namentlich auch in Luxemburg keinen
Zweifel darüber zu lassen, daß sie diese Position, diesen Theil Deutschlands
vertheidigen wollen. Meine Herren! Es isi eine nicht geringe Versuchung
für das Ausland vorhanden, die Auflösung des deutschen Bundes zu benutzen,
die Zelt zu benutzen, wo eine neue deutsche Staatenbildung noch nicht fertig
geworden ist, wo Kämpfe der inneren Politik ausgebrochen sind in Deutsch-
land, die eigene Machtstellung gegenüber Deutschland zu verstärken. Wenn
wir nicht dem ersten Versuche der Art entgegentreten, dann werden die Ver-
suche sich stets wiederholen, und die jetzige Neubildung wird in Deutschland
nicht zur Begründung eines starken Bundesstaates, sondern nur zur Fort-
dauer der alten Zerrissenheit und Schwäche führen. (Sehr richtig! von allen
Seiten.) Wenn wir Vertrauen haben zu der kräftigen Leitung der aus-
wärtigen Politik, wie sie sich gezeigt hat im vorigen Jahre und in den
Jahren vorher bei der preußischen Regierung, so wird dieses Vertrauen
allerdings eine neue Bewährung verlangen in der schwierigen Lage, wo wir
den Frieden erhalten können, wenn wir stark und entschlossen gegenüberstehen
dem Auslande, wo wir aber auch zeigen müssen, daß wir den Krieg nicht
scheuen, wo es sich um eine gerechte Vertheidigung gegen ungerechte Angriffe
handelt. (Enthusiastischer Beifall.) Wir wissen ja Alle, daß in Frankreich
in Erinnerung an die alte schwache Stellung Deutschlands, an die Ueber-
macht Frankreichs gegen Deutschland auch jetzt wieder die Reste alter Parteien
und deren altgewordene Führer die Leidenschaften in der Armee und die
Leidenschaften im Volke aufzureizen suchen, — ausfzureizen, vielleicht nicht
bloß in dem Motive, Eroberungen zu machen für Frankreich, vielleicht auch
in dem Motive, der jetzigen französischen Regierung Schwierigkeiten zu be-
reiten. (Sehr richtig! von allen Seiten.) Geben wir rasch und entschlossen
die richtige Antwort auf alle solche Tendenzen, und wir werden sie im Keime
ersticken können! (Sehr gut! Lebhafter Belfall.) Meine Herren! Welch
einen Eindruck müßte es in Deutschland machen, wenn in einem Augenblicke,
wo der Reichstag versammelt ist, um eine Verfassung für Deutschland zu
gründen, wenn in dem Augenblicke, wo die Vertreter der Regierungen und
die Vertreter des Volkes der preußischen Krone und der preußischen Staats-
Regierung die Leitung der auswärtigen Politik des norddeutschen Bundes
übertragen wollen, wenn in demselben Augenblicke, wie leider schon früher
in schweren Zeiten Deutschlands manchmal, Grenzprovinzen von Deutschland
losgerissen werden! Würde es nicht ein Fleck sein, sehr schwer abzuwaschen
von der deutschen Ehre, würde es nicht den Stempel undeutscher Schwäche
der Leitung der auswärtigen Politik aufdrücken, wenn in dem ersten Augen-
blicke, wo wir wieder eine deutsche, nicht bloß eine preußische Politik haben
wollen, nicht das Aeußerste ausgeboten würde, um eine solche Schwächung,
die Abreißung einer deutschen Provinz zu verhindern. Meine Herren]
Sie erinnern Sich des patriotischen Ausspruches, den vor mehreren Jahren
Se. Majestät der König von Preußen gethan hat: Kein Dorf solle von
deutschem Boden mit seiner Zustimmung abgerissen werden. Diese Worte
haben einen lebhaften Wiederhall gefunden in Deutschland, sie sind in dank-
barer Erinnerunz von der deutschen Nation aufbewahrt worden. Jetzt, wo