Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

 
96          Preußen und der norddeutsche Bund. 
beschränkt hatte. Nach Auflösung des Bundes genoß das Großherzogthum 
Luxemburg und der Großherzog derselben Souverainetät europäischen Cha- 
rakters, wie der König und das Königreich der Niederlande. Eine große 
Mehrzahl der früheren Bundesgenossen benutzten gleich Preußen ihre Frei- 
heit, um sofort auf nationalem Boden einen neuen Bund behufs gegenseitiger 
Unterstützung, behufs Pflege nationaler Interessen zu schließen. Das Groß- 
herzogthum Luxemburg fand es seinen Interessen nicht entsprechend, denselben 
Weg einzuschlagen. Durch die Organe, welche uns innerhalb des Groß- 
herzogthums und seinen Grenzen zu Gebote stehen, waren wir davon in 
Kenntniß gehalten, daß eine entschiedene Abneigung, dem norddeutschen Bunde 
beizutreten, dort in allen Schichten der Bevölkerung heimisch war; in den 
höheren und namentlich in den höchsten war sie getragen von einer deutlich 
ausgesprochenen Mißstimmung gegen Preußen und dessen Ersfolge, in den 
unteren getragen von einer Abneigung gegen die Uebernahme derjenigen Lasten, 
die eine ernstliche Landesvertheidigung mit sich führt. Die Stimmung der 
Luxemburger Regierung fand Ausdruck in einer Depesche, die im October an 
uns gerichtet wurde und in welcher sie uns nachzuweisen suchte, daß wir kein 
Recht mehr hätten, in Luxemburg Besatzung zu halten. (Hört!) Die königl. 
Staats-Regierung und ihre Bundesgenossen mußten sich die Frage stellen, 
ob es angemessen sei, unter diesen Umständen eine Einwirkung oder gar 
einen Druck dahin zu üben, daß das Großherzogthum Luxemburg, welches 
dem Zollvereine angehört, dennoch dem Nordbunde beitrete. Sie hatte sich 
nach gründlicher Erwägung diese Frage verneint: sie mußte es einmal als 
einen zweifelhaften Vortheil betrachten, in einem Bunde von dieser Intimität 
in dem Großherzog von Luxemburg ein Mitglied zu haben, welches in seiner 
Eigenschaft als König der Niederlande seinen Schwerpunkt außerhalb des 
Bundes und seine Interessen möglicher Weise vielfach im Widerspruche mit 
dem Bunde haben könnte. Die Erfahrungen, die wir in dieser Beziehung 
in früheren Jahren gemacht haben, waren lehrreich genug, um uns abzu- 
halten, eine ähnliche Einrichtung in vollem Maße auf die neuen Institutionen 
zu übertragen. Die königliche Staats-Regierung hat sich ferner gesagt, daß 
vermöge der geographischen Lage und der eigenthümlichen Verhältnisse gerade 
des Großherzogthums Luxemburg die Behandlung insbesondere dieser Frage 
einen höheren Grad von Vorsicht erfordere. Man erweist der preußischen 
Politik nur Gerechtigkeit, wenn an einer hervorragenden Stelle ausgesprochen 
ist, die preußische Politik suche die Empfindlichkeit der französischen Nation, 
natürlich soweit es mit der eigenen Ehre verträglich ist, zu schonen. Die 
preußische Regierung findet und fand zu einer solchen Politik Anlaß in der 
gerechten Würdigung, welche die friedlichen und freundlichen Beziehungen zu 
einem mächtigen und ebenbürtigen Nachbarvolke auf die Entwicklung der 
deutschen Frage ausüben könnten. Aus derselben Rücksicht, die ich hiermit 
charakterisirt habe, will ich mich enthalten, auf den zweiten Theil der Inter- 
pellation mit Ja oder Nein zu antworten. Der Wortlaut dieses zweiten 
Theils ist ein solcher, wie er einer Volksvertretung, die auf nationalem Boden 
steht, sehr wohl anstehen mag; er gehört aber nicht der Sprache der Diplo-= 
matie an, wie sie bei Behandlung internationaler Beziehungen, so lange die- 
selben in friedlichem Wege erhalten werden können, geführt zu werden pflegt. 
— Was den ersten Theil der Interpellation betrifft, so will ich das Sach- 
verhältniß, so weit es zur Kenntniß der Staats-Regierung gekommen ist, 
ossen darlegen. Die Staats-Regierung hat keinen Anlaß anzunehmen, daß 
ein Abschluß über das künftige Schicksal des Großherzogthums bereiks erfolgt 
sei (Sensation), sie kann das Gegentheil natürlich nicht mit Bestimmtheit 
versichern, kann auch nicht mit Bestimmtheit wissen, ob, wenn er noch nicht 
ersolgt wäre, er vielleicht unmittelbar bevorsteht. Die einzigen Vorgänge, 
durch welche die Staats-Regierung veranlaßt gewesen ist, geschäftlich Kenntniß 
von dieser Frage zu nehmen, sind solgende: Vor wenig Tagen hat Se. Maj.
	        
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