Preußen und der norddeutsche Bund. 97
der König der Niederlande den im Haag accreditirten preußischen Gesandten
mündlich in die Lage gesetzt, sich darüber zu äußern, wie die preußische Re-
gierung es auffassen würde, wenn Se. Majestät der König der Niederlande
sich der Souverainetät über das Großherzogthum Luxemburg entäußerte.
(Heiterkeit.) Graf Perponcher, der preußische Gesandte, war angewiesen
worden, darauf zu antworten, daß die Staats-Regierung und ihre Bundes-
genossen augenblicklich überhaupt keinen Beruf hätten, sich gegenüber dieser
Frage zu äußern, daß sie Sr. Majestät die Verantwortlichkeit für die eigenen
Handlungen selbst überlassen, und daß die Staats-Regierung, bevor sie sich
über die Frage äußern würde, wenn sie genöthigt werde, es zu thun, jeden-
falls vorher sich versichern würde, wie die Frage von ihren deutschen Bundes-
genossen, wic von den Mitunterzeichnern der Verträge von 1839, wie von
der öffentlichen Meinung in Deutschland, welche gerade im gegenwärtigen
Augenblick in Gestalt dieser hohen Versammlung ein angemessenes Organ
besitzt, aufgefaßt werden würde. (Bravo.) Die zweite Veranlassung war die-
jenige, daß die königl. niederländische Regierung durch den hiesigen Gesandten
uns ihre guten Dienste Behufs der von ihr vorausgesetzten Verhandlungen
Preußens mit Frankreich über das Großherzogthum Luxemburg anbot.
(Heiterkeit) Wir haben darauf zu antworten beschlossen, daß wir nicht in
der Lage seien, von diesen guten Diensten Gebrauch zu machen (Bravo)
Heiterkeit), weil Verhandlungen dieser Art nicht bestünden. In dieser Lage,
meine Herren, befindet sich, so viel der königlichen Staats-Regierung bekannt
ist, die Sache noch in dieser Stunde, ich betone, so viel mir bekannt ist, und
beziehe mich auf das, was ich kurz vorher über die Möglichkeit eines Abschlusses
gesagt habe. Sle werden von mir nicht verlangen, daß ich in diesem Augen-
blicke, ähnlich wie es einem Volksvertreter oder einer Volksvertretung ansteht,
Erklärungen über die Absichten und Entschlüsse der königlichen Staats-
Regierung und ihrer Bundesgenossen in diesem oder in jedem Falle in die
Oeffentlichkeit gebe. (Sehr richtig!) Die verbündeten Regierungen glauben,
daß keine fremde Macht zweifellose Rechte deutscher Staaten und deutscher
Bevölkerungen beeinträchtigen werde; sie hoffen, im Stande zu sein, solche
Rechte zu wahren und zu schützen auf dem Wege friedlicher Verhandlungen
und ohne Gefährdung der freundschaftlichen Beziehungen, in denen sich Deutsch-
land bisher zur Genugthung der verbündeten Regierungen mit seinen
Nachbarn befindet. Sie werden Sich dieser Hoffnung um so sicherer hin-
geben können, jemehr das eintrisst, was Interpellant vorher zu meiner Freude
andeutete, daß wir durch unsere Berathungen das unerschütterliche Vertrauen
auf den unzerreißbaren Zusammenhang des deutschen Volkes mit und unter
seinen Reglerungen bethätigen werden.“ (Lebhafter Beifall.) — Präsident
Simson: Ein Antrag auf Besprechung der Interpellation ist nicht gestellt.
Ich spreche aber zuversichtlich die Empfindungen der Versammlung aus,
wenn ich sage: „Die Weise, in welcher der Reichstag die Interpellation und
ihre Beantwortung acceptirte, spricht deutlicher, unzweideutiger als irgend ein
formeller Antrag es könnte.“
Uebergang zur Tagesordnung: Verfassungsdebatte. Tit. VI (Zoll-
und Handelswesen), Art. 30—37 und Tit. VII (Eisenbahnwesen),
Art. 38—44 werden mit geringen Modisicationen angenommen.
April. (Preußen: Schleswig-Holstein). In Nordschleswig haben mehr
als 1500 Landwehrleute den Eid verweigert und sollen deßhalb
sämmtlich zum activen Dienst eingezogen werden. Ein Theil wird
dadurch mürbe gemacht, ein anderer wird nach dem Süden gebracht,
um dort eingestellt zu wer m n über die dänische Grenze,
um sich der Verpflicht — 8