Oesterreich-Ingarn. 291
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Schon die beabsichtigte Wahlreform allein würde es, wegen der Bedeutung
derselben an sich und nach ähnlichen Präcedenzfällen in anderen constitutionellen
Staaten, vollständig rechtfertigen, daß zur Durchführung dieses hochwichtigen
Actes und bei der sowohl dem Reichsrathe, als auch den Landtagen dießfalls
zustehenden Competenz sowohl die Landtage, als auch das Abge-
ordnetenhaus des Reichsrathes erneuert würden. Um so mehr ge-
bolen erscheint jedoch diese Erneuerung dann, wenn die Aenderung der Verfassung
nicht bloß auf das Wahlsystem beschränkt bleiben soll. Sie wird aber vollends
dem gegenwärtigen Reichsrathe gegenüber, der unvollständig und jeder über
die Wahlreform hinausgehenden Verfassungsänderung abgeneigt ist, schlechter-
dings unvermeidlich, einerseits als in dem gegenwärtigen Falle vollkommen
gerechtfertigter Appell an die Bevölkerung selbst, andererseits als ein Mittel,
um die bisher Ferngebliebenen zum Eintritt in den Reichsrath zu bewegen.
Denn wird der nach Auflösung des jetzigen Neichsrathes und aller Landtage
sofort einzuberufende ordentliche Reichsrath mit der solennen Erklärung
einberufen, daß vor Allem die Reform der Wahlhgesetze und die zur allgemeinen
Durchführung der Verfassung als nöthig erkannten Aenderungen derselben die
vorzugsweisen Verhandlungsgegenstände bilden werden, dann darf nach der durch
viele Informationen gewonnenen Ueberzeugung der ehrfurchtsvollst Unterzeichneten
und bei sonst zweckmäßigem Vorgehen der Regierung dem Zusammentritt
des vollen Reichsrathes mit ziemlicher Gewißheit entgegen gesehen werden.
Die Denkschrift der Majorität weist nun zwar auf die Unannehmbarkeit der
czechischen Declaration, sowie darauf hin, daß von czechischer Seite die Hand
zur Verständigung bisher nicht geboten wurde. Dagegen erlauben sich jedoch die
ehrfurchtsvollst unterzeichneten Mitglieder der Minorität zu erwidern, daß die
exorbitanten Forderungen, welche im leidenschaftlichen Kampfe der Parteien
und unter dem Einflusse der zum Theile bis zum tiefsten Hasse gesteigerten
persönlichen Antipathien erhoben werden, kein Maß für die gegenseitigen Zu-
geständnisse bieten, deren Gewährung bei einer friedlichen, vom Geiste und dem
Willen zur Verständigung angebahnten Vereinbarung angehofft werden darf.
Denn das auch von der nationalen Opposition durchwegs anerkannte Interesse
aller Volksstämme Oesterreichs an dessen Erhaltung wird, besonders bei gleich-
zeitiger Betheiligung der Abgeordneten aller Länder und Stämme an den
Verhandlungen im Reichsrathe, jedes etwa noch auftauchende Sondergelüste
in bescheidene, der Einheit und Macht des Ganzen nicht abträgliche Grenzen
einschränken. Die Denkschrift des Majorität spricht ferner von dem „kläglichen
Mißlingen“ aller bisher angestellten „Ausgleichsversuche" und meint, daß die-
jenigen, welche „die Verständigung in die Hand nehmen zu müssen erachteten,
kein Programm zu Tage gefördert haben, welches auch nur in ihrem eigenen
Kreise als durchführbar, viel weniger als geeignet hätte betrachtet werden kön-
nen, von den Gegnern angenommen zu werden.“
„Von eigentlichen Ausgleichsversuchen kann wohl strenge genommen über-
haupt nicht, sondern es kann nur von Annäherungsversuchen gesprochen wer-
den, die in der That nicht ohne gute Wirkung waren. Ueber einen „Aus-
gleich"“ konnten einzelne Personen, welches immer ihre Stellung sein möge,
einfach schon darum nicht verhandeln, weil sie sich wohl bewußt waren, daß
der „Ausgleich“ nur auf verfassungsmäßigem Wege erfolgen könne, und auf
diesen die demselben widerstrebende Opposition hinzuleiten, mußte „das vor-
züglichste Ziel aller Vermittlungsversuche“ sein. Schon aus diesem Grunde
erklärt es sich, warum bisher auch von Aufstellung eines den Ausgleich seinem
Inhalte nach schon jetzt präcis definirenden Programms keine Rede sein konnte.
Wenn die Minorität bezüglich des Ausgleiches noch kein materielles Programm
aufgestellt hat, so darf sie der Majorität entgegnen, daß diese sich wiederholt
in feierlichen, den Ministerraths-Protocollen beiliegenden Erklärungen gegen
jeden Ausgleich ausgesprochen und damit die Minorität doch gewiß nicht zur
Aufstellung eines Programms über den Ausgleich aufgefordert und ermuntert
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