Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zehnter Jahrgang. 1869. (10)

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Türkei. 
gewisser Privilegien Aegypten sich in nichts von den andern Provinzen unter- 
scheidet, und daß seine Verwaltung durchaus keine directen amtlichen Beziehungen 
zu den fremden Mächten pflegen kann. Die Verträge, welche zwischen der 
hohen Pforte und andern Staaten geschlossen sind, müssen ebenso wie die 
Grundgesetze des Reichs in Aegypten volle Kraft und Wirksamkeit haben. 
„Im Gegensatz zu diesen Hauptgrundsätzen bilden aber die beständigen Reisen 
der Persönlichkeit, welche den Namen und Titel eines Ministers der auswär- 
tigen Angelegenheiten Aegyptens führt, in Europa, zu dem Zweck, um Aende- 
rungen in den genannten Verträgen zu Gunsten Aegyptens zu erwirken, und 
mit den Mächten unmittelbare Unterhandlungen darüber anzuknüpfen; ferner 
die große Sorgfalt, welche diese Person anwendet, um vor unsern diplomatischen 
Vertretern den Gegenstand ihrer Mission mehr als vor jedem andern geheim 
zu halten; endlich der Umstand, daß diese Person jeden Verkehr mit jenen 
sorgfältig vermeidet — alles das bildet ebenso viele Thatsachen, welche in 
gleichem Grade die Rechte der hohen Pforte antasten als sie mit Ihren Ver- 
pflichtungen im Widerspruch stehen, und welche man nicht länger dulden kann. 
Denn es ist in den Augen unseres erhabenen Gebieters zur Evidenz erhoben, 
daß, wenn die Mächte, bei welchen die Achtung vor Rechten und Verträgen 
als unverbrüchlicher Grundsatz gilt — wenn diese Mächte, sage ich, die min- 
deste günstige Stimmung hätten merken lassen, so wäre das Ziel, das man 
erreichen wollte, die Aufhebung unserer Verträge, ihre Ersetzung durch andere, 
mit einem Wort die Unterdrückung des Inhalts der Bestallungsbriefe gewesen, 
welche die Grundlage für das Bestehen und die Fortdauer der jetzigen Ver- 
waltung von Aegypten ausmachen. 
„Was die innere Verwaltung Aegyptens betrifst, so legen die unberechen- 
baren und erdrückenden Ausgaben, welche durch die Bestellungen von Panzer- 
schiffen, Feuer= und sonstigen Waffen veranlaßt sind, den Einwohnern dieses 
Reichstheiles Lasten auf, welche ihre Leistungsfähigkeit weit übersteigen und 
Unzufriedenheit mit der Verwaltung hervorrufen. Wie schon oben hervorge- 
hoben worden ist, und nicht oft genug wiederholt werden kann, wird Se. Maj. 
der Sultan, unser erhabener Herrscher, beseelt von der lebhaftesten Sorge für 
das Gedeihen und das Wohl Aegyptens und in dem Wunsche, diese Provinz 
innerhalb der gesetzmäßigen Schranken ihrer Vorzugsrechte sich erfreuen zu 
sehen, niemals zugeben können, daß die Bande, welche es mit seinem Reiche 
verknüpfen, gelockert werden. Da Aegypten dem Grundsatze der Aufrechthal- 
tung der Integrität des Reiches unterworfen ist, so ist es unmöglich, sich 
Rechenschaft von den Gründen zu geben, welche die Verwaltung dieses Landes 
in die Nothwendigkeit versetzen sollten, den Staatsschatz zum Ankaufe von 
Panzerschiffen und Waffen aller Art zu verschleudern. Da die Bevölkerung 
keinesfalls lange die Last solcher ebenso großen als unfruchtbaren Ausgaben 
ertragen kann, so kann auch Se. Maj. der Sultan, welcher der rechtmäßige 
Beherrscher des Landes und der natürliche Schirmherr seiner Unterthanen ist, 
das nicht gestatten. Es ist eine allseitig anerkannte Wahrheit, daß, da der 
Luxus nicht die Ursache, sondern die Wirkung der Civilisation darstellt, der 
wahre Fortschritt in der Durchführung der Reformen beruht, welche die Civili- 
sation hervorbringen. Der gerechte und erleuchtete Geist Ew. Hoheit überhebt 
uns der Mühe, Ihnen die unheilvollen Folgen auseinanderzusetzen, welchen 
man sich aussetzt, wenn man die eigentlichen Grundlagen vernachlässigt und 
mit Dingen den Anfang macht, welche nur die Wirkungen jener sein sollen. 
„Der Zweck dieser offenen und freimüthigen Erklärungen ist: die ernstliche 
Aufmerksamkeit Ew. Hoh. auf Thatsachen zu lenken, deren Fortsetzung ebenso 
wie das Beharren auf dem eingeschlagenen Wege weder mit den wohlverstan- 
denen Interessen der kaiserlichen Provinz, deren gute Verwaltung Ihnen an- 
vertraut ist, noch mit der Wahrung der anerkannten Rechte Sr. kaiserl. Maj., 
welche vor allem vor jeder Beeinträchtigung gesichert werden müssen, in Ein- 
klang zu bringen ist.
	        
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