Full text: Europäischer Geschichtskalender. Elfter Jahrgang. 1870. (11)

Die füddeuischen Slaaten. 161 
gemeinen können diese Grundlagen — das Verfassungsbündniß nämlich — 
dahin definirt werden, daß die in Art. 3 u. 4 des ursprünglichen Entwurfs 
der norddeutschen Verfassung enthaltenen Gegenstände, sonach ein nicht unbe- 
deutendes Gebiet der Gesetzgebung und Verwaltung für gemeinsam erklärt 
und als Bundesangelegenheit behandelt werden sollten, und daß im Uebrigen 
die Verbindung den Charakter eines Staatenbundes unter preußischem Präsi- 
dium zu tragen habe"“. Nun habe ich vor Allem eine Nebenbemerkung zu 
machen, der Herr Fürst betont da wiederholt einen Unterschied zwischen dem 
ursprünglichen Entwurf der norddeutschen Bundesverfassung und zwischen der 
definitiven Fassung, in welcher die Charte des norddeutschen Bundes aus den 
betreffenden Verhandlungen des norddeutschen Reichstages hervorgegangen sei. 
Ich habe hier beide Fassungen bei der Hand. Einen irgendwie wesentlichen 
Unterschied zwischen denselben kann ich nicht finden. Was insbesondere den 
Art. 4 betrifft, so ist der letzte Absatz des ursprünglichen Entwurfs in der 
definitiven Fassung einigermaßen modifizirt oder besser gesagt, spezifizirt. Es 
sind da insbesondere die Worte „und das gerichtliche Verfahren“ hinzugekom- 
men. Sollte aber der Hr. Fürst sich vielleicht berufen wollen auf den Art. 78 
der norddeutschen Bundesverfassung'), so muß ich bemerken, daß dieser Artikel 
die im höchsten Grade gefährliche Tragweite, welche man ihm jetzt gegeben 
hat, damals noch nicht hatte. Es redete damals Niemand davon, wenn man 
vielleicht auch, was ich nicht weiß, schon daran dachte... Ich werde Sie 
nun einladen, diejenigen Angelegenheiten des Staates, welche Se. Durchlaucht 
damals der freien Selbstbestimmung des Königs von Bayern und der bayer. 
Landesvertretung zu entziehen, diejenigen Angelegenheiten des Staates, welche 
Se. D. damals an den nordd. Reichstag hinüberzugeben bereit war, unter den 
übermächtigen Einfluß Preußens stellen wollte, nach der Art, wie jetzt gewisse 
Angelegenheiten Bayerns im Zollparlament behandelt werden — ich sage, ich 
werde Sie einladen, diese Angelegenheiten in einem flüchtigen Ueberblicke mit 
mir durchzugehen. Der Beaufsichtigung von Seite des Bundes und der 
Gesetzgebung desselben wären demnach unterstellt worden: die Bestimmungen 
über Freizügigkeit, Heimath= und Niederlassungsverhältnisse, über Gewerbsbetrieb 
einschließlich des Versicherungswesens; die Zoll= und Handelsgesetzgebung; 
die für Bundeszwecke zu verwendenden indirecten Steuern; die Ordnung des 
Maß-, Münz= und Gewichtssystems; die Grundsätze über Emission von fun- 
dirtem und unfundirtem Papiergeld; die allgemeinen Bestimmungen über das 
Bankwesen; die Erfindungspatente; der Schutz des geistigen Eigenthums; 
gemeinsamer Schutz des Handels im Ausland; consularische Vertretung; das 
Eisenbahnwesen im Interesse der Landesvertheidigung und des allgemeinen 
Verkehrs; gemeinsame Wasserstraßen, Fluß= und Wasserzölle; Post= und 
Telegraphenwesen; wechselseitige Erledinunz von Erkenntnissen und Nequisitio- 
nen; Beglaubigung von öffentlichen Urkunden; gemeinsame Civilprozeßord- 
nung, gemeinsames Concursverfahren, Wechsel= und Handelsrecht. Also, 
m. H., in allen diesen wichtigen Staatsinteressen gedachte Se. Durchlaucht im 
Jahre 1867 die Selbstbestimmung der bayerischen Krone und der bayerischen 
Landesvertretung zu schmälern und dieselben zu einer gemeinsamen Angelegen- 
heit mit dem norddeutschen Bunde zu machen. Ich habe kurz darauf in der 
Zollvereinsdebatte in diesem Hause gefragt: Ja, wenn alle diese Gegenstände 
unserer Selbstbestimmung entzogen werden sollen, was haben wir denn dann 
eigentlich in der bayerischen Landesvertretung hier noch zu thun, und was 
bleibt noch übrig von dem souveränen Selbstbestimmungsrechte Sr. Maj. des 
Königs? Der Abg. Frankenburger hat uns jüngst gesagt, wir könnten dann 
in unsern innern Angelegenheiten ganz republikanische Einrichtungen treffen. 
Ich kann nicht genau wissen, wie Hr. Frankenburger dieses verstanden hat, 
  
*) Nach welchem Abänderungen der Verfassung mit Zweidrittelmehrheit im Bundes- 
rath, im Uebrigen aber im Wege der Gesetzgebung beschlossen werden können. 
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