Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 111
17. April. (Bayern.) Das Ordinariat des Erzbisthums München-
Freising verhängt im Auftrage des Erzbischofs Gregor über den Reichs-
rath, Stiftspropst und Professor v. Döllinger die größere Excommuni-
cation. Dieselbe Excommunication wird auch über den Hofbeneficiaten
und Professor Dr. Friedrich verhängt.
Döllinger gibt bei der Mittheilung des Decretes die Erklärung ab, daß
er, um seinem Kapitel von St. Cajetan keine Verlegenheit zu bereiten, sich der
Ausübung geistlicher Funktionen in seiner Stiftskirche fortan enthalten werde.
18. „ (Preußen.) Die katholische Geistlichkeit von Breslau (43 Geist-
liche, darunter die 11 Stadtpfarrer) treten der Erklärung der kath.
Pfarrer in München vom 14. d. M. bei. Auch in einer Reihe
anderer Städte erfolgen ähnliche Erklärungen. Ueberall sind es nur
ganz wenige, vereinzelte Geistliche, welche, dem von oben ausgeübten
Drucke gegenüber, den Muth haben, die vaticanischen Concilsbeschlüsse
offen zu verwerfen.
„ „ (Württemberg.) Nach einer nach Vernehmung des geh.
Raths getroffenen kgl. Entschließung von diesem Tage wird durch den
offiziellen „Staatsanzeiger“ bekannt gemacht:
„daß die Regierung den Beschlüssen des vaticanischen Concils in Rom, wie
solche in beiden dogmatischen Constitutionen vom 24. April und 18. Juli 1870
zusammengefaßt sind, insbesondere dem in der letztgenannten Constitution ent-
haltenen Dogma von der persönlichen Unfehlbarkeit des Papstes, keinerlei
Rechtswirkung auf staatliche oder bürgerliche Verhältnisse zugesteht.“
„ „ (Elsaß-Lothringen.) Der General-Gouverneur, Graf v. Bis-
marck-Bohlen, erläßt Kraft der ihm vom Kaiser ertheilten Vollmacht,
eine Verordnung behufs sofortiger Einführung der obligatorischen
Schulpflicht für die neuen Reichslande.
19.—20. „ (Deutsches Reich.) Reichstag: Der Reichskanzler erklärt
bez. des Antrags auf Errichtung eines monumentalen Parlaments-
gebäudes:
Die Regierung verzichte nicht auf den bisher ins Auge gefaßten Platz.
Wir wollen groß, schön und würdig bauen; die Regierung werde sich keinen
Einseitigkeiten hingeben; eine Combination mit dem Landtagsgebäude sei nicht
beabsichtigt. Die Regierung sei bereit, auf jeden annehmbaren Vorschlag ein-
zugehen. Würde der Reichstag eine Commission ernennen, so würde auch der
Bundesrath Mitglieder dazu wählen.
Erste Berathung des erneuerten Antrags (von Schulze) auf Ge-
nehmigung von Diäten. Derselbe wird mit der Beschränkung „von
der nächsten Legislaturperiode an“ in namentlicher Abstimmung mit 185
gegen 138 Stimmen angenommen.
Fürst Bismarck: Wäre die Frage wirklich so unbedeutend wie heute
behauptet wird, warum kommen Sie denn alljährlich auf sie zurück und setzen
sie auf die Tagesordnung, selbst dann, wenn ich nach Haltung und Temperatur
des Hauses voraussetzen darf, daß Sie den Moment zu einer Verfassungs-
änderung nicht für geeignet halten und der Verfassung Zeit lassen werden zu
wurzeln? Ich will es mit voller Sicherheit nicht entscheiden, daß die Zu-
sammensetzung bei Zahlung von Diäten eine sehr viel andere wäre; aber wenn
es doch der Fall wäre, so würde es mir zu schmerzlich sein, diesen Versuch