Full text: Europäischer Geschichtskalender. Chronik und geschichtlicher Überblick der denkwürdigen Jahre 1870 und 1871. Zweiter Band. (11a)

                      Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.                        139 
der belasteten Theile Frankreichs verwendet sind. Diese so gewonnene Masse 
soll zunächst in acht Punkten allgemeine Reichsbedürfnisse decken, nämlich: 
1) Versorgung der Invaliden des Feldzugs von 1870/71, aus einem besonderen 
Fonds, der rund auf 240 Millionen Thlr. berechnet ist; 2) Bildung eines 
Reichskriegsschatzes zur Bestreitung der ersten Kosten für die Mobilmachung 
im Kriegsfalle mit 40 Millionen Thlr.; 3) Bildung eines Betriebsfonds für 
das Reichskanzleramt, damit die Bundesregierungen in Zukunft nicht die ge- 
meinschaftlichen Zölle und Steuern vor ihrer wirklichen Bezahlung zur Ver- 
fügung zu stellen haben, beziehungsweise die Militärverwaltung mit eigenem 
Betriebsfonds ausgestattet werden kann und die unentbehrlichen eisernen Fonds 
für die Verwaltung der dem Reiche überwiesenen Angelegenheiten gebildet 
werden können; die Höhe der dazu erforderlichen Mittel wird später festgestellt 
werden; 4) die Entschädigung der Eigenthümer und deutschen Mannschaften 
der von Frankreich gekaperten Schiffe, beziehungsweise Ladungen; 5) Ent- 
schädigung an die Bewohner solcher Orte im Reichsgebiete, sowie in Elsaß- 
Lothringen, welche im letzten Kriege von dem französischen, bezw. deutschen 
Heere beschossen worden sind, für die durch die Beschießung verursachten Schäden 
an Immobilien und Mobilien; über die Grundsätze dieser Entschädigung bleibt 
eine Vorlage vorbehalten; einstweilen sind liquidirt für Straßburg rund 
50,900,000 Fr., für Schlettstadt 2,500,000 Fr., Breisach 1,300,000 Fr., 
Thionville 3,000,000 Fr., zusammen 57,700,000 Fr.; 6) Ersatz der Kriegs- 
leistungen der Bewohner von Elsaß-Lothringen auf Anordnung deutscher 
Mililitärbehörden nach Maßgabe der im norddeutschen Bunde üblichen Sätze; 
7) Wiederherstellung der in Elsaß-Lothringen belegenen Festungen; 8) Ge- 
währung von Beihilfen an die aus Frankreich ausgewiesenen Deutschen, wofür 
den einzelnen Regierungen die ad hoc erhobenen besonderen Contributionen 
von ca. 7 Millionen Fr. und zwar nach dem Verhältniß der Ausgewiesenen 
der Einzelstaaten zur Gesammtzahl überwiesen werden sollen. Was nach 
Deckung dieser Bedürfnisse von der Masse verbleibt, kommt zur Vertheilung 
zwischen dem norddeutschen Bunde einerseits und Bayern, Württemberg, 
Baden und Sühdhessen andererseits. Die Vorlage geht dabei von der Er- 
wägung aus, daß die politisch-militärische Gemeinschaftlichkeit des Krieges zu 
keiner Zeit eine finanzielle war, sondern jeder der gedachten Theile den Krieg 
aus eigenen Mitteln geführt hat. Den Maßstab für die Vertheilung sollen 
die militärischen Leistungen der einzelnen Staaten durch den durchschnittlichen 
Effectivstand der gestellten Mannschaften und Pferde bieten. Darüber hinaus 
sollen auch außerordentliche Ausgaben für Belagerungsartillerie, für die 
Kriegsmarine, Küstenvertheidigung, Eisenbahn- und Telegraphenanlagen be- 
rücksichtigt werden; diese Extraausgaben sollen speciell liquidirt und vorweg 
erstattet werden. Ueber die Verwendung des auf den Nordbund entfallenden 
Theiles soll eine besondere Vorlage gemacht werden. In einer dem Entwurfe 
beigelegten Denkschrift ist das System entwickelt, auf welchem die Bildung 
des Invalidenfonds beruht; derselbe soll unter Zugrundelegung des Zinsfußes, 
zu welchem er sicher angelegt werden kann, den gegenwärtigen Kapitalwerth 
aller künftig zu zahlenden Pensionen rc. für die invaliden Offiziere und Sol- 
daten aus dem letzten Kriege repräsentiren. Die Darstellung kommt zu dem 
Schlusse, daß sich die Verluste der deutschen Armeen an Todten und Ver- 
wundeten in dem letzten Kriege belaufen auf 4990 Offiziere und 112,038 
Unteroffiziere und Soldaten, und daß nach den angenommenen Einheitssätzen 
der Kapitalbedarf des Invalidenfonds zu veranschlagen ist für die Offiziere 
à 12,000 Thlr. auf 59,880,000 Thlr., für Unteroffiziere und Soldaten 
à 1600 Thlr. auf 179,260,800 Thlr., zusammen auf 239,140,800 Thlr. 
Ferner ist der Vorlage ein Regulativ für die Entschädigung der Schiffsrheder rc. 
beigegeben.  
17. Mai. (Bayern.) Das erzbischöfl. Ordinariat München theilt allen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.