142 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
Bei der Abstimmung werden alle Amendements verworfen mit
Ausnahme des von Stauffenberg und Lasker beantragten, das mit
ziemlich starker Majorität zum Beschluß erhoben wird.
20. Mai. (Bayern.) Eine Katholikenversammlung in Erlangen beschließt,
da auf den Protest vom 6. d. gegen das Vorgehen des Erzbischofs von
Bamberg vom 30. v. M. bis jetzt ein Bescheid nicht erfolgt ist, nach
§ 52 der II. Verfassungsbeilage den landesfürstlichen Schutz des Königs
gegen den Mißbrauch der geistlichen Gewalt anzurufen.
„ „ (Hessen.) Auch die Universität Gießen erklärt sich in der Mehr-
zahl ihrer Professoren durch eine öffentliche Adresse an Döllinger für
die Freiheit der Wissenschaft im Gegensatz gegen die Tendenzen des
vaticanischen Concils.
21. „ (Deutsch-franz. Krieg.) Der Reichskanzler unterzeichnet in
Frankfurt mit den franz. Bevollmächtigten Favre und Pouyer-Quertier
eine Convention, welche die ersten von Frankreich zu leistenden Zahlungen
regelt. An demselben Tage dringen die Truppen der Versailler Re-
gierung in das insurgirte Paris ein.
„ „ (Bayern.) Eine große Katholikenversammlung in Deggendorf
erklärt sich für das Unfehlbarkeitsdogma und beschließt eine Adresse in
diesem Sinne an den Papst.
22. „ (Deutsch-franz. Krieg.) In Folge des Friedensschlusses mit
Frankreich wird sofort der theilweise Rückmarsch der deutschen Armee
aus Frankreich angeordnet und zwar zunächst derjenige des 5. und 7.
preuß. Armeecorps, des Gardecorps, so wie der 17. preuß. Infanterie-
Division, ferner der württembergischen Division und eines der bayri-
schen Armeecorps.
„ „ (Preußen.) Der Conflikt in Braunsberg verschärft sich zu einer
schwer zu übersehenden Tragweite: Der Director des dortigen Gym-
nasiums verlangt, daß sämmtliche Schüler ohne Ausnahme dem Re-
ligionsunterricht beizuwohnen hätten, den der vom Bischof excommuni-
cirte Anti-Infallibilist Dr. Wollmann ertheilt und bedroht die Wider-
spänstigen mit der Entfernung von der Schule.
„ „ (Anhalt.) Herzog Leopold Friedrich †. Der 1831 geb. Erb-
prinz folgt ihm als Herzog.
23. „ (Deutsches Reich.) Reichstag: Debatte über einen Antrag
Bunsen's, wie man den Officieren sog. Retablissementsgelder bereits
zugestanden habe, so auch Reservisten und Landwehrmännern Darlehen
oder einmalige Gaben aus der französischen Kriegsentschädigung zu
gewähren. Präs. Delbrück erklärt es für unmöglich. Der Antrag
wird dennoch mit großer Mehrheit (gegen die Stimmen der Alt-
conservativen) angenommen.
Der von 141 Abgg. aus allen Fractionen unterstützte Antrag Bunsen
lautet: Der Reichstag wolle beschließen: „an den Reichskanzler das Ersuchen