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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
zu den Erscheinungen, die uns in analoger Weise im Norden Deutschlands
vorgelegen haben, jetzt unser Beruf. Je mehr sich die Bewohner des Elsaß
als Elsässer fühlen werden, um so mehr werden sie das Franzosenthum ab-
thun. Fühlen sie sich erst vollständig als Elsässer, so sind sie zu logisch, um
sich nicht gleichzeitig als Deutsche zu fühlen. Der Name „Preußen“ ist nicht
ohne Erfolg durch die künstlichen — ich kann sogar wohl sagen Intriguen
der französischen Regierung in Frankreich verhaßt gemacht worden im Vergleich
mit dem der Deutschen. Es war eine alte Tradition daselbst, nicht anzuer-
kennen, daß die Preußen Deutsche wären, — stets den Deutschen als solchen
zu schmeicheln, sie als Schützlinge Frankreichs Preußen gegenüber darzustellen.
Und so ist es gekommen, daß der Name Prussien in Frankreich fast etwas
Verletzendes hat, und überall, wo sie etwas Uebeles von uns sagen wollen, da
heißt es: le gouvernement Prussien, oder les Prussiens, und wo sie etwas
anerkennen wollen, da sagen sie: les Allemands. Es ist kaum zu zweifeln,
daß im Elsaß, so wenig wir uns gegenseitig kennen, diese ein Menschenalter
hindurch fortgesetzte Verdächtigung des preußischen Namens von Seiten der
französischen Regierung, einiger Maßen abgefärbt hat. Außerdem aber ist es,
wie ich Ihnen vorhin schon erwähnte, den Elsässern leichter, sich ihrer Ab-
stammung als Deutsche bewußt zu werden, als den Namen Preußen anzu-
nehmen. Allein dieser Grund würde schon für mich entscheidend sein. Was
später im Interesse des Reichs, im Interesse des Elsasses zu thun sein wird,
darüber wollen wir vor allen Dingen, denke ich, die Elsässer und Lothringer
selbst hören. Ehe wir weiter gehen, habe ich wenigstens das Bedürfniß —
und muß ich sagen, daß es mir in den Debatten, die ich bisher gelesen habe,
doch nicht mit hinreichender Anerkennung der berechtigten Unabhängigkeit eines
jeden Volksstammes accentuirt worden ist — habe ich vor Allem das Be-
dürfniß, die Meinung der Elsässer selbst kennen zu lernen. Wenn das Gesetz
ins Leben tritt, und, so weit ich berufen sein werde, dabei Sr. Majestät einen
Rath zu ertheilen und diesen Rath im Bundesrathe geltend zu machen, so
wird die erste Maßregel sein: die Anordnung der Communalwahlen im ganzen
Elsaß, welche am 6. August v. J. Statt zu finden hatten und nicht Statt
gefunden haben. Die zweite Maßregel wird die sein, daß die Generalräthe
gewählt werden nach dem alten französischen Gesetze, wonach für jeden Canton
ein Generalrath gewählt wird, damit wir in den Departements Versammlungen
haben, die uns mit mehr Sachkunde, als unsere dorthin geschickten Beamten
Auskunft darüber geben können, wo die Leute der Schuh drückt und was sie
für Bedürfnisse haben. Ich habe nicht das mindeste Bedenken, so weit zu
gehen, daß die Ernennung der Communalbeamten ebenfalls der Wahl über-
tragen werde. Ich würdige vollkommen die Gefahren, die daraus entstehen
können; ich fürchte mich aber noch mehr vor den Gefahren, die daraus ent-
stehen, wenn die Zahl der Beamten, die wir dorthin schicken müssen, über das
Allernothwendigste hinaus vermehrt würde. Es ist ganz unvermeidlich, daß
ein Beamter, der fremd ins Land hineinkommt, wenn auch mit dem dazu er-
forderlichen Bildungsgrade, doch vielleicht nicht mit der breiteren Weltanschauung,
die zu einer Neumission im neuen Lande erforderlich ist, hinkommt, daß der
durch Mißgriffe Feindschaft, Verstimmung hervorruft, die mit den Intentionen
der Regierung, die er ausführen sollte, durchaus in keinem Zusammenhange
stehen. Hat er einmal sich geirrt, so liegt es der menschlichen Natur wiederum
zu nahe, dies nicht zuzugeben, sondern die Schuld in den Einwohnern zu
suchen, und nicht in sich selbst; man bekommt gegenseitige Denunciationen und
Verdächtigungen gegen den Beamten auf der einen Seite und Beschwerden aus
den Gemeinden auf der andern Seite. Ich fürchte viel weniger, daß die uns
noch abgeneigte Stimmung dazu führen könnte, daß die Communal-Beamten,
wenn sie von den Gemeinden gewählt werden, gefährlicher werden könnten, als
ich unser eigenes Unvermögen fürchte, dem Lande überall geeignete Beamte
liefern zu können. Sollte sich diese Hoffnung täuschen, so ist es der Vortheil