Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 151
auf die drei Departements gemacht werden, so haften sie auch auf dem ganzen
Lande; ob 300 Millionen auf Elsaß-Lothringen oder 100 Millionen auf jedem
Departement dort übernommen werden, das kommt schließlich auf dasselbe
hinaus. Auf die anderen sachlichen Gründe, die meiner ganzen Anschauungs-
weise über das vorliegende Rechtsverhältniß und über die Folgen, die es haben
kann, wenn das Gesetz nicht zu Stande kommt, zu Grunde liegen, will ich
mich, weil ich principielle Streitigkeiten vermeide, wo ich sie vermeiden kann,
nicht einlassen; ich kann nur meine reifliche und wohlerwogene Entschließung
wiederholen: wenn dieser Artikel stehen bleibt, so kann ich das Mandat, das
mir durch den § 4 dieses Gesetzes beigelegt werden soll, als Kanzler nicht
übernehmen, sondern muß bitten, das zu streichen und auf diese Weise Sr.
Majestät dem Kaiser die Freiheit zu lassen, einen für das Elsaß verantwort-
lichen Minister zu ernennen, der ich alsdann nicht sein würde; denn ich
glaube — so viel Vertrauen habe ich zu dem Vertrauen der Herren —, daß
Sie nicht beabsichtigen, daß ich in dem Falle mein Amt als Reichskanzler
niederzulegen haben würde — ein Anderer wird dann vielleicht die elsässer
Verwaltung übernehmen, ich aber als Kanzler und auch als Minister nicht;
ich müßte dann, wie schon gesagt, entweder bitten, daß hier in der Versammlung
der Antrag gestellt wird auf Streichung des Artikels und Substituirung eines
anderen verantwortlichen Ministers außerhalb meiner Person oder ich würde
diese Aenderung im Bundesrathe geltend zu machen suchen.
Die Commission tritt sofort zusammen und einigt sich mit dem
Reichskanzler über ein Compromiß:
Der Commissionsberathung wohnen Bismarck und der Staatsminister Del-
brück bei. Die Conservativen beantragen einfach die Wiederherstellung der
Regierungsvorlage, die Freiconservativen und National-Liberalen blieben dabei,
daß der Reichskanzler den Antrag Lasker-Stauffenberg mißverstanden habe,
und schlagen vor, das Alinea 2 des § 3 dahin zu fassen, daß nur solche An-
leihen für Elsaß-Lothringen der Zustimmung des Reichstages bedürfen sollen,
durch welche eine Belastung des Reiches herbeigeführt wird. In diesem Sinne
befürworten die Referenten Lamey und Friedenthal eine Ausgleichung
der Differenz. Namens der Fortschrittspartei protestirt Wigard gegen eine
Abänderung der bisherigen Beschlüsse, Bennigsen erläutert die Motive, welche
den bisherigen Anträgen seiner Partei zu Grunde gelegen hätten und will sich
zufrieden erklären, wenn Fürst Bismarck versichere, daß Schulden den neuen
Gebietstheilen nicht auferlegt würden, so lange sie keine legale Vertretung
hätten. Fürst Bismarck verlangt vor Allem volle Gleichstellung der ver-
bündeten Regierungen mit dem Reichstage; hätte er derartige Streitigkeiten
vorausgesehen, so hätte er dieselben wohl durch die Fassung des Friedens-
vertrages umgehen können und heute noch stände kein rechtliches Hinderniß im
Wege, mit Frankreich andere Verträge abzuschließen. Die Eventualität, Elsaß
und Lothringen mit Schulden belastet zu übernehmen, hätte er beseitigt, daran
hätte er aber nicht gedacht, daß die verbündeten Regierungen nicht berechtigt
sein sollten, die elsässischen Eisenbahnen gegen entsprechende Vergütung dem
Lande zuzuweisen. Einer Dictatur des Reichstages unterwerfe er sich nicht.
Neu ist die Mittheilung, daß er lediglich, um nicht jetzt schon Elsaß und
Lothringen eine Verfassung zu geben, den Gedanken bekämpft und beseitigt
habe, einen Prinzen als Statthalter dahin zu schicken. Der Reichstags-
beschluß, meint er, würde ihn unter Polizeiaufsicht stellen; es widerstrebe ihm,
sich einschränken zu lassen, wie man etwa die Rinderpest einschränkt und die
Elsässer und Lothringer unter eine Reichsvormundschaft zu stellen, die er per-
horeszire. Er verharre in seiner Stellung ohnehin nur aus Pflichtgefühl,
gäbe man ihm aber einen plausiblen Grund, wegzugehen, so werde er den-
selben mit Vergnügen ergreifen. Schließlich erklärt er den Vorschlag der
Referenten für annehmbar. Auch Lasker befürwortet den Antrag der