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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
dammungen des Syllabus, welcher nun ein mit päpstlicher Unfehlbarkeit be-
kleidetes Decret geworden ist, die feierliche Verdammung der österreichischen
Verfassung durch den Papst, die gleichzeitigen Publikationen der Jesuiten in
Laach, in Wien und in Rom — die bekanntlich besser als die deutschen Bi-
schöfe über die Absichten der Curie unterrichtet sind —, wenn man Alles dieses
mit den vaticanischen Decreten zusammenhält, so muß man die Augen schließen,
um den wohlüberlegten Plan päpstlicher Universalherrschaft
nicht zu erkennen. Unsere Regierungen, unsere Gesetze und Staatseinrichtungen,
das gesammte Gebiet des Sittlichen, die Handlungen der einzelnen Menschen,
Alles soll künftig der Curie und ihren Werkzeugen und theils wandernden,
theils stabilen Commissären, seien es Bischöfe oder Jesuiten, unterthan sein.
Als alleiniger Gesetzgeber in Sachen des Glaubens, der Disciplin und der
Sitte, als oberster Richter, als unverantwortlicher Gebieter und Vollstrecker
seiner Sentenzen besitzt der Papst nach der neuen Lehre eine Gewaltfülle, wie
selbst die ausschweifendste Phantasie sie nicht größer sich denken kann. Die
deutschen Bischöfe aber würden wohlthun, das treffende Wort zu beherzigen,
welches einst in ähnlicher Lage der Franziskaner Occam in München ausge-
sprochen hat. „Wenn der römische Bischof, sagt Occam, eine solche Fülle der
Gewalt besäße, wie die Päpste sich verwerflicher Weise anmaßen, und wie Viele
irrig und schmeichlerisch ihnen zuzuertheilen unternehmen, so wären alle Sterb-
lichen Sclaven, was der Freiheit des evangelischen Gesetzes offen zuwiderläuft.“
Wir berufen uns auf das unfreiwillige Zeugniß, welches die deutschen Bischöfe
selbst für die Gerechtigkeit unserer Sache ablegen. Wenn wir die neue Lehre,
daß der Papst der universale Bischof und der absolute Gebieter jedes Christen
im ganzen Umfange der Moral, also des gesammten sittlichen Thuns und
Lassens sei, offen und direkt zurückweisen, so zeigen die Bischöfe durch die un-
gleichen und widersprechenden Deutungen in ihren Hirtenbriefen, daß sie die
Neuheit und das Abstoßende dieser Lehre sehr gut erkennen, und daß sie im
Grunde sich derselben schämen. Keiner von ihnen kann sich dazu entschließen,
dem Beispiel Manning's und der Jesuiten zu folgen und den vaticanischen
Decreten ihren einfachen und natürlichen Sinn zu lassen. Aber sie vergessen,
daß solche Deutungs- und Abschwächungsversuche, wie sie in ihren
Hirtenbriefen in Anwendung gebracht werden, wenn man sie bei andern
Glaubensdecreten sich erlauben wollte, geradezu alle Festigkeit und Gleich-
mäßigkeit der Lehre erschüttern und eine allgemeine Unsicherheit und Unge-
wißheit des Glaubens zur Folge haben würden. Was würde wohl an den
Glaubensentscheidungen der Kirche, den alten und den neuen, noch fest und
zuverlässig bleiben, wenn man eine Behandlung, wie sie im jüngsten Hirten-
briefe der Bulle des achten Bonifazius widerfährt, auf sie alle anwenden, dem
klaren Wortlaut, der offenkundigen Absicht der Abfassung überall so in's
Antlitz schlagen wollte, wie es hier geschieht? Wir beklagen einen solchen
Gebrauch des bischöflichen Lehramtes. Wir beklagen noch tiefer, daß dieselben
Bischöfe sich nicht gescheut haben, in einem Hirtenbrief an das katholische Volk
den Gewissensschrei ihrer Diöcesanen mit Schmähungen auf Vernunft
und Wissenschaft zu beantworten. Wahrlich, wenn wir von Männern,
die keine höhere Pflicht als den blinden Gehorsam zu kennen scheinen, auf ihre
ehrwürdigen Vorfahren im Episkopat, auf Bischöfe wie Cyprian, Athanasius,
Augustin, blicken, so haben wir ein größeres Recht als der hl. Bernhard zu
dem Schmerzensruf: „Quis nobis dabit videre ecclesiam sicut erat in diebus
antiquis?“
„3) Wir weisen die Drohungen der Bischöfe als unberechtigt, ihre
Gewaltmaßregeln als ungiltig und unverbindlich zurück. Sonst pflegte man
in der ganzen Kirche den Grundsatz hochzuhalten: „Sobald von einer Lehre
der Zeitpunkt angegeben werden könne, in welchem sie zuerst aufgebracht
worden, sei Dieß ein gewisses Zeichen ihrer Unrichtigkeit.“ Gerade Dieß ist
bei der neuen Lehre von der päpstlichen Unfehlbarkeit der Fall. Man vermag