Full text: Europäischer Geschichtskalender. Chronik und geschichtlicher Überblick der denkwürdigen Jahre 1870 und 1871. Zweiter Band. (11a)

                    Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.                         245 
       I. Friedrich Franz etc. Unseren getreuen Ständen ist bereits durch unser 
an den engeren Ausschuß von Ritter- und Landschaft gerichtetes Rescript vom 
9. October cr. und die demselben angeschlossene Antwort auf den eine Reform 
der bestehenden Landesverfassung betreffenden Vortrag von 16 Magistraten 
bekannt geworden, daß unsere Maßnahmen und insbesondere die seit dem 
Jahre 1865 eingeleiteten und noch in Ausführung begriffenen Organisationen 
in unserem Domanium darauf gerichtet sind, nach Vollendung derselben auch 
diesen Landestheil in allen Beziehungen unter die allgemeine Gesetzgebung 
stellen zu können. Inzwischen haben wir über die dazu erforderlichen und nach 
unserer Absicht weiter damit zu verbindenden Modificationen der bestehenden 
Landesverfassung eine hausvertragsmäßige Communication mit Sr. Königl. 
Hoheit dem Großherzog von Mecklenburg-Strelitz eingeleitet und durch dieselbe 
auch eine Verständigung über die Hauptgrundlagen zwischen beiden Regierungen 
herbeigeführt. Wenn indessen die Vorarbeiten noch nicht so weit gefördert sind, 
um schon auf dem gegenwärtigen Landtage unseren getreuen Ständen behufige 
Vorlagen machen zu können, und es überdies angemessen erscheint, durch 
commissarisch-deputatische Verhandlungen den Gegenstand zu einer landtägigen 
Berathung vorzubereiten, so müssen wir unsere getreuen Stände auffordern, 
schon auf gegenwärtigem Landtage Deputirte zu erwählen, welche wir zu den 
gedachten Verhandlungen einberufen werden, sobald die noch erforderlichen Vor- 
arbeiten so weit gediehen sind. Ihr habt daher mittels Herausgabe dieses 
Rescripts unsere getreuen Stände zu solcher Wahl zu veranlassen. II. Friedrich 
Wilhelm etc. Auf Grund einer von Seiner Königl. Hoheit dem Großherzog 
von Mecklenburg-Schwerin mit uns eingeleiteten hausvertragsmäßigen Com- 
munication haben wir uns entschlossen, in die Verhandlungen mit einzutreten, 
welche, von Sr. Königl. Hoheit dem Großherzog durch Allerhöchste Verfügungen 
vom 9. October d. J. angebahnt, Behufs Stellung des Domanii in allen 
Beziehungen unter die allgemeine Gesetzgebung und behufs der etwa damit zu 
verbindenden Modificationen der bestehenden Landesverfassung beabsichtigt werden. 
Nachdem nun eine Verständigung über die Hauptgrundlagen für diese Aender- 
ungen zwischen beiden Regierungen Statt gefunden hat, so halten wir im Ein- 
verständniß mit Sr. Königl. Hoheit dem Großherzog von Schwerin es ange- 
messen, den zur Zeit zu einer vollständigen Vorlage noch nicht genügend reifen 
Gegenstand durch commissarisch-deputatische Verhandlungen zu einer landtägigen 
Berathung vorzubereiten. Wir fordern daher unsere getreuen Stände auf, 
während des gegenwärtigen Landtages Deputirte zu erwählen, welche wir seiner 
Zeit zu den gedachten Verhandlungen einberufen werden. Ihr habt daher 
mittels Hinausgabe dieses Rescriptes unsere getreuen Stände zu solcher Wahl 
zu veranlassen. 
8. Dec. (Deutsches Reich.) Bundesrath: Die Ausschüsse für Ver- 
fassung und Justizwesen erstatten Bericht über den vom Reichstag mit 
großer Mehrheit angenommenen Antrag Lasker-Miquel auf Erweiterung 
der Reichscompetenz über das gesammte bürgerliche Recht und die 
Gerichtsorganisation und tragen mit 6 (worunter besonders Württem- 
berg) gegen 4 Stimmen (worunter Preußen) auf Ablehnung an. 
       Der Bericht entwickelt ausführlich auch die Gründe der Ausschußminder- 
heit, welche dem Antrage zustimmen wollte. Die Mehrheit ist zunächst da- 
gegen, jetzt schon die kaum vereinbarte Verfassung wieder abzuändern, zumal 
weder bezüglich des Civilrechts noch bezüglich der Gerichtsorganisation ein 
dringendes sachliches Bedürfniß für die vorgeschlagene Abänderung vorliege. 
Mit Vorbedacht und aus guten Gründen sei bei der Schaffung der Ver- 
fassung die Competenz der Reichsgesetzgebung auf das Obligationen-, Handels- 
und Wechselrecht beschränkt worden. Eine gleichheitliche Ordnung auch des 
nur in beschränkteren Kreisen wirkenden Personen-, Familien-, Sachen- und
	        
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