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Oesterreich-Angarn.
zu erhalten, zu befestigen und zu verwerthen. (Bravol links.) Allein, dürfen
wir wohl vergessen, wie viel das verflossene Jahr uns der Ueberraschungen,
der Erfahrungen, der Enttäuschungen gebracht hat? Und wer wohl wollte
behaupten und beweisen, daß es in unserer Macht gelegen gewesen sei, die mit
Sturmeseile hereingebrochenen Ereignisse abzuwenden oder ihnen eine andere
Richtung zu geben? Und wer wollte wohl sich vermessen, den aus diesen Er-
eignissen hervorgegangenen unerwarteten Gestaltungen solche Grenzen zu ziehen
und vorzuzeichnen, welche seinen Wünschen und Hoffnungen am besten ent-
sprechen? Wenn wir nichts unternahmen, um der Neugestaltung Deutschlands
hemmend in den Weg zu treten, und wenn wir für diese neue Gestaltung nur
einen freundlichen Gruß haben; wenn wir unsere Verhältnisse zu einem anderen
Nachbarreiche unter Wahrung unserer Interessen, aber im versöhnlichen Geiste
zu ordnen bemüht sind; wenn wir endlich uns einem dritten Staate als be-
freundeten, seine Unabhängigkeit achtenden Nachbar zeigten, und selbst die Nolh-
wendigkeit nicht scheuten, viele und achtungswerthe Gefühle im eigenen Lande
verletzt zu wissen: so soll und muß man wissen, daß wir um so mehr zu er-
warten uns berechtigt halten, daß man am eigenen Herde uns unangefochten
lasse und uns jederzeit bereit finden wird, diesen Herd zu vertheidigen. Und
ohne Optimismus glaube ich es als eine kostbare Frucht der schwerwiegenden
Ereignisse der jüngsten Vergangenheit betrachten zu dürfen, daß die Erkenntniß
dieser Lage und der daraus hervorgehenden Forderungen in beiden Reichs-
hälften als eine gleiche sich herausgestellt, und daß damit auch ein einiger und
einziger Patriotismus zu reifen begonnen hat. — Die Vorlage wird, indeß
doch nicht ohne einige erhebliche Abstriche, genehmigt. Zu den letztern gehört
namentlich auch die Befestigung der Ennslinie, über welche ein Delegirter sich
dahin ausspricht: „Die oberösterreichische Bevölkerung will ihr Land nicht zum
möglichen Schauplatze des Krieges mit Deutschen hergeben. Sie will kein
Bollwerk gegen Deutschland."
Die Delegation lehnt die Vorlage für die Errichtungvon sog. Terri-
torial-Divisionen mit großer Mehrheit ab.
31. Jan. Ungar. Delegation: hat auch ihrerseits die Berathung des
Budgets zu Ende gebracht, so daß es sich nurmehr über die Aus-
gleichung der Differenzen zwischen beiden Delegationen handelt.
Die beiden Hauptdifferenzen bilden die Territorialdivisionen und die Zu-
muthung der ungar. Delegation, Kosten für die ungarische Landwehr (Honved)
auf das gemeinsame Budget zu setzen.
3. Febr. (Ungarn.) Der Cult= und Unterrichtsminister Baron Eötvös .
4.
„ Delegationen: Die von beiden Delegationen behufs Ausgleich
ihrer Differenzen ernannten Vertrauenscommissionen von je 7 Mit-
gliedern vermögen sich nicht zu einigen.
Die österr. Delegirten erklären sich geneigt, noch etwa 6 Mill. weiter zu
concediren. Die ungar. Vertrauensmänner scheinen anfänglich geneigt, auf
diese Basis einzugehen, lehnen es aber nach Besprechung mit ihren Collegen
schließlich doch ab. Die Vertreter der ungarischen Delegation hatten nämlich
die Votirung des Kriegsbudgets von der Einbringung der Vorlage Über die
Territorial-Divisionen abhängig gemacht, und waren für den Fall, daß ihrem
Wunsch entsprochen werde, die Verpflichtung eingegangen, die Forderungen der
Kriegsverwaltung ohne nennenswerthe Abstriche zu acceptiren. Die österr.
Delegation will es nun auch ihrerseits auf die gemeinsame Abstimmung an-
kommen lassen.