"Oesterreich-AUngarn. 265
zeugung, daß die ganze Bevölkerung eine Regierung stützen werde, welche
fern von jedem einseitigen Parteistandpunkt, eine wahrhaft
österreichische Politik zu ihrem Programm macht. Wir werden
nicht ermangeln, mit den einem solchen Programme entsprechenden Vorlagen
vor die gesetzgebende Körperschaft zu treten. Ich muß jedoch im Namen des
Gesammtministeriums das hohe Haus bitten, uns die hiezu nöthige Frist zu
gönnen. Die mannigfaltigsten Verhältnisse, welche hiebei in Erwägung zu
ziehen sind, erheischen die aufmerksamste Prüfung, und wir können es uns
nicht gestatten, Vorlagen von so hoher Bedeutung und so weittragender Wir-
kung dem hohen Hause vorzulegen, ohne dieselben vorläufig in allen ihren
Theilen gründlich erwogen und auf solchem Wege die Ueberzeugung erlangt
zu haben, daß sie wirklich geeignet sind, das allgemeine Wohl zu fördern und
zu befestigen.“
22. Febr. (Oesterreich.) Reichsrath, Abg.-Haus: Der Finanzausschuß be-
23.
schließt, da er den Grafen Hohenwart zu keinen positiven Aufklärungen
über seine Absichten zu veranlassen vermag, beim Hause darauf anzu-
tragen, daß es die von dem neuen Ministerium für die Monate März
und April geforderte Steuerbewilligung nur für den Monat März
gewähre.
Herbst interpellirt im Ausschuß den Ministerpräsidenten in direktester
Weise über die von der neuen Regierung einzuschlagende Politik und richtet
deßhalb an denselben ganz bestimmte Fragen, die aber Graf Hohenwart theils
mit geradezu windigen Ausflüchten, theils mit ein paar nichtssagenden Phrasen
beantwortet, so daß der Ausschuß seinen Beschluß mit Rücksicht darauf faßt,
daß „sich gegenwärtig das Abgeordnetenhaus einem Ministerium gegenüber
befindet, über dessen An= und Absichten es erst in der nächsten Zukunft Klar-
heit wird erlangen können, zumal sich das bisher bekannt gewordene Pro-
gramm der neuen Regierung über die wichtigsten Fragen entweder gar nicht
oder in sehr unbestimmter Weise ausspricht und andererseits solche wesentlichen
Aenderungen auf dem legislativen und administrativen Gebiete in Aussicht
stellt, welche zu gerechten und begründeten Bedenken Veranlassung geben.“
„ (Oesterreich.) Reichsrath, Herrenhaus: Schmerling eröffnet das
selbe mit einer Rede, in welcher er dem Mißtrauen gegen die Ten-
denzen des neuen Ministeriums ziemlich unverholen Ausdruck gibt:
„Die inneren Verhältnisse haben sich nicht gebessert. Wir erleben es noch,
daß ein Theil der Bevölkerung grollt und sich schweigend zurückzieht, daß man
noch immer in vergilbten Pergamenten uach seinen Rechten wühlt; noch herrscht
in vielen Theilen des Reiches die sogenannte Kirchthurmspolitik. Vor allem
beklage ich ober, daß das österreichische Bewußtsein nicht vollends zum Durch-
bruch gekommen, welches immer Oesterreich, wenn man es schon niedergeworfen
wähnte, wieder aufgerichtet hat. Dieses Bewußtsein ist unerläßlich, wenn Oester-
reich eine Stätte der Freiheit und Cultur sein will. In diesem Haus herrschte
dieser Geist immer, und wenn er alle Schichten durchdringt, so kann er nur
Gutes hervorbringen. Neue Männer der Regierung treten heute vor uns.
Ihre Aufgabe ist schwer, wir wollen wünschen, daß es ihnen gelinge, sie zu
lösen. Viele edle Kräfte haben sich daran versucht, doch immer war die
Verfassung die Grundlage; sie zu kräftigen und zu stärken war die Auf-
gabe. Das Herrenhaus hat dies wiederholt ausgesprochen, und ist allen
Sonderinteressen entgegengetreten. Das Herrenhaus hat sich nicht der
Betrachtung verschlossen, die Verfassung bedürfe einer Verbesserung, aber es
will nur jene, welche die Freiheit der Institutionen befestigt und das Ansehen
des Reiches wahrt. Das Herrenhaus will keine Ausbreitung der
Autonomie, welche das Ansehen des Reiches verkürzen würde.