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Cesterreich-Angarn.
Nudigier wegen seiner hartnäckigen Renitenz wider die Staatsgrundgesetze die
Temporalien zu sperren, beantwortet der Minister ausweichend dahin, daß sich
die Regierung allerdings diese Maßregel für den äußersten Fall vorbehalte;
worauf Abg. Wickhoff erklärt, er konstatire mit Vergnügen, daß wenigstens
in etwas Uebereinstimmung zwischen dem Minister und ihm bestehe. Eine
von demselben Abgeordneten später beantragte Resolution des Inhalts:
„In Erwägung, daß der Bischof von Linz seinen staatsgefährlichen Widerstand
gegen die Schulgesetze fortsetzt und auch den Klerus zum Widerstande nöthigt,
wird die Regierung aufgefordert, dem Bischof von Linz, falls er in diesem
Widerstande noch ferner beharrt, die Temporalien zu sperren“, wird vom Aus-
schusse zum Beschlusse erhoben.
1. Mai. (Ungarn.) Der Ausschuß des Katholiken-Congresses beschließt,
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das Elaborat desselben, mit Umgehung der Regierung und der Legis-
lative, dem Kaiser zur Sanction zu unterbreiten.
„ (Oesterreich.) Reichsrath, Abg.-OHaus: Der 24er Ausschuß
lehnt nach kurzer Debatte die Regierungsvorlage bez. Erweiterung der
Autonomie der Landtage mit 18 gegen 5 (polnische) Stimmen seiner-
seits ab und bezeichnet Herbst zum Berichterstatter.
„ (Oesterreich.) Reichsrath, Abg.-Haus: Das Ministerium Hohen-
wart überrascht das Haus mit einer neuen Vorlage bez. der Stellung
Galiziens zum Gesammtstaate, durch welche den Polen der größere
Theil ihrer Landtagsresolution zugestanden wird:
Die Vorlage enthält folgende hauptsächliche Bestimmungen: Galizien hat
die durch das Grundgesetz über die Reichsvertretung bestimmte Anzahl von
Mitgliedern in das Haus der Abgeordneten des Reichsrathes zu entsenden.
Sollte die für das Haus der Abgeeordneten festgesetzte Zahl von 203 Mit-
gliedern im verfassungsmäßigen Wege vermehrt werden, so wird auch die aus
Galizien zu entsendende Zahl von Mitgliedern durch ein Reichsgesetz in gleichem
Verhältnisse vermehrt werden. Die Wahl der aus Galizien in das Haus der
Abgeordneten zu entsendenden Mitglieder hat durch den Landtag und aus
seiner Mitte zu geschehen. Nachstehende zum Wirkungkreise des Reichsrathes
gehörige Angelegenheiten werden, soweit dieselben Galizien betreffen, aus dem
Wirkungskreise des Reichsrathes ausgeschieden und künftig in und mit dem
Landtage dieses Königreiches verfassungsmäßig erledigt werden: die Gesetzgebung
über die Einrichtung der Handels= und Gewerbekammern, über das Gebühren-
wesen, über Credit= und Versicherungsanstalten, über Banken, mit Ausnahme
der Zettelbanken, und über Sparkassen; die Feststellung der Grundsätze des
Unterrichtswesens bezüglich der Volksschulen und Gymnasien, dann die
Gesetzgebung über Universitäten; die Polizeistrafgesetzgebung; die Gesetz-
gebung über den Vollzug und die Kosten des Schubes; die Gesetzgebung über
Vormundschaften und Curatelen, dann alle behufs Anlegung der auf Grund
eines Reichsgesetzes einzurichtenden öffentlichen Bücher nothwendigen Gesetze; die
Gesetzgebung über die Einführung von Friedensrichtern und Bagatellgerichten;
und über die Organisirung der politischen Verwaltungsbehörden erster und
zweiter Instanz. Es bleibt jedoch der Reichsgesetzgebung vorbehalten, falls
durch die obgenannte Organisirung den Bedürfnissen des Reichs nicht genügend
Nechnung getragen würde, hiezu eigene Organe unter entsprechender Verminde-
rung der zur Deckung der Kosten der politischen Verwaltung dem Lande be-
willigten Geldmittel aufzustellen. Galizien wird durch einen Minister im
Rathe der Krone vertreten. Für Galizien wird ein eigener Senat des ober-
sten Gerichts= und Cassationshofes in Wien bestellt. Aenderungen dieses Ge-
setzes können nur mit Zustimmung des galizischen Landtages im Wege der