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Oesterreich--Angarn.
derhand wären diese Konzessionen allerdings nur auf Galizien beschränkt, da
von anderen Ländern noch keine dießfälligen Wünsche vorlägen. Was aber
Böhmen anlange, auf welches man wohl insbesondere hinblicken dürfte, nehme
er keinen Anstand, zu erklären, daß, wenn sich die böhmische Opposition mit
Dem zufrieden geben würde, was hier an Galizien konzedirt werde, die Re-
gierung bereit sei, eine solche Vorlage einzubringen. Die Wirkung dieser
Worte ist eine furchtbare. Von allen Seiten rust man nach Schluß der
Feibung, denn man fühle sich außer Stande, eine ruhige Diskussion fortzu-
etzen.
12. Mai. (Oesterreich.) 28 österreichische Erzbischöfe und Bischöfe —
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kein ungarischer Kirchenfürst ist dabei betheiligt — halten den Zeit-
punct für geeignet, eine Denkschrift an den Kaiser zu richten und ihn
darum zu bitten: der italienischen Regierung eine unzweideutige Miß-
billigung ihres Vorgehens gegen den Papst aussprechen zu lassen und
für die Rückgabe des ganzen Kirchenstaats, ungesäumt aber für die
sofortige Zurückstellung Roms mit einem „angemessenen“ Gebiet zu
wirken.
„ (Oesterreich.) Reichsrath, Abg.-Haus: Der Verfassungsausschuß
beschließt mit 11 gegen 6 Stimmen, beim Hause auf eine Mdresse
an den Kaiser anzutragen, welche die durch die jüngsten Regierungs-
vorlagen und durch die im Ausschuß abgegebenen Erklärungen des
Grafen Hohenwart geschaffene Lage des Reichs „offen und rückhaltlos
darzulegen habe.
„ (Ungarn.) Der Justizminister Horvath fordert und erhält seine
Entlassung. Der Abg. Bitto wird an seine Stelle ernannt.
„ (Ungarn: Croatien.) Beginn der Landtagswahlen. Dieselben
scheinen ganz national und entschieden anti-magyarisch ausfallen zu wollen.
„ Eröffnung der Delegationen. Graf Beust legt denselben sein
Rothbuch, die gesammte Regierung das Budget vor.
„ (Oesterreich.) Reichsrath, Abg.-Haus: Debatte über den Antrag,
eine Adresse an den Kaiser zu erlassen. Rede des böhmischen Abg.
Pickert. Die Adresse (aus der Feder Herbst's) wird schließlich mit
93 gegen 66 Stimmen angenommen.
.. „Dieses Mißtrauen (der Verfassungstreuen) ist ein um so gerecht-
fertigteres, als die Vorlagen des Ministeriums, welche die Verfassung be-
treffen, und seine schwankenden und ausweichenden parlamentarischen Erklärun-
gen bei denkenden Patrioten die begründete Besorgniß erwecken Müssen, das
Ministerium entbehre jedes bestimmten, die Erzielung des inneren Friedens
ermöglichenden Planes, seine schon eingebrachten und noch zu gewärtigenden
Vorlagen, die nichts weniger als ein harmonisches Ganzes bilden, seien nicht
das Produkt reifer Ueberlegung, sondern Ergebnisse momentaner Eindrücke
oder zufälliger Bestimmungsgründe, bloße Experimente, auf deren Erfolg ihre
Urheber selbst nicht rechnen, über deren Tragweite sie sich selber noch nicht
klar sein mögen, die aber nur allzu geeignet sind, die Lage zu verwirren,
ohne daß irgendwo wirkliche Befriedigung erzielt würde. Nur so konnte es
geschehen, daß eine Vorlage, welche nach der Auffassung des Ministeriums für
die künftige staatsrechtliche Entwickelung Oesterreichs von entscheidender Be-
deutung sein sollte, und durch welche es die Volksvertretung zum Richter über