Oesterreich-A#ngarn. 291
gegenüber jedem Unrecht die Parole der Deutsch-Oesterreicher lauten. Man
Peluce es einmal mit einem Oesterreich, dem die Deutschen
ehlen!“
Und selbst der „Pesther Lloyd“, der bisher den Anstrengungen der
Deutsch-Oesterreicher nicht allzu günstig sich ausgesprochen, meint jetzt: „Wir
sind bei dem entscheidenden Punkte angekommen. Dieser Ausgleich, er mag
hundertmal formell erfolgen, ist nicht der Friede und kann es nicht sein. Der
Friede ruht in gegenseitiger Verständigung und Versöhnung, nicht in ein-
seitigem Emporringen zu augenblicklicher politischer Macht. Wir wollen nicht
untersuchen, in welcher Stellung sich Graf Hohenwart einem Reichsrathe gegen-
über befände, in welchem die Deutschen fehlen. Nicht er wäre der Herr der
Lage, sondern die Clam-Martinitz und Rieger; nicht von ihm hinge ab, wo
die Dinge zum Stehen gebracht, wo die Schranken für die Umwälzung des
österreichischen Verfassungsrechtes gezogen werden sollen. Was man dem
Bürgerministerium vorgeworfen hat, die Tendenz der einseitigen Herrschaft
einer Partei und eines Volksstammes, tausendfach würde es von den Mächten
vergolten werden, die jetzt an die Oberfläche der Bewegung getragen sind.
Der Tag, an welchem dieser Ausgleich besiegelt wird, bezeichnet den Beginn
eines neuen Kampfes, erbitterter, gefährlicher, unheilvoller, als alle vor-
hergegangenen.“
8. Sept. (Ungarn.) Der Fürst-Primas Simor erläßt eine Enchcelica, die,
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in lateinischer Sprache geschrieben und 8 Druckbogen stark, den acten-
mäßigen Nachweis liefern soll, daß die lehramtliche Unfehlbarkeit des
Papstes in Ungarn stets geglaubt worden sei, zu welchem Behufe.
Zeugnisse von Synoden und kirchlichen Schriftstellern bis zurück ins
13. Jahrhundert vorgeführt werden.
„ (Ungarn.) Der Bischof von Stuhlweißenburg Jekelfalussy er-
scheint, amtlich citirt, vor dem versammelten Ministerrath in Pesth,
wo ihm der Ministerpräsident
„mit Rücksicht auf die Thatsache, daß er die Concilsbeschlüsse und päpstlichen
Verordnungen, trotz der am 9. August 1870 erflossenen allerh. Entschließung
bezüglich des kgl. Placetum, ohne Erlaubniß Sr. Maj. und entgegen dem in
der Ministerialverordnung vom 10. August desselben Jahres enthaltenen
Verbot in seinem Kirchensprengel feierlich promulgiren ließ, auf ausdrücklichen
Befehl und im Namen Sr. k. und k. Apostolischen Maj. das kgl. Mißtrauen,
die Mißbilligung und den Tadel ausspricht."
Die öffentliche Meinung bezeichnet den Vorgang als „reine Komödie“.
„ (Oesterreich.) Eröffnung sämmtlicher Landtage. Ueberall, mit
einziger Ausnahme von Galizien, Triest und Tyrol, werden Regierungs-
vorlagen bez. Abänderung der Landesordnungen und der Wahlord-
nungen eingebracht, die dahin zielen, die nationalen und bäuerlichen
Interessen auf Kosten der Deutschen und der Intelligenz zu begünsti-
gen. Dem Landtag von Böhmen wird außerdem ein k. Reseript ver-
lesen, das Böhmen aus dem Nahmen der gemeinsamen Verfassung
heraushebt, und das sog. böhmische Staatsrecht virtuell geradezu aner-
kennt; außerdem ein sog. Nationalitätengesetz, das angeblich die deutsche
Nationalität in Böhmen gegen die befürchtete Vergewaltigung durch
die Czechen schützen soll. In Krain, Mähren und Oberösterreich nimmt
die deutsche Minorität am Landtage unter Protest keinen Theil.
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