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Gesterreich-Augarn.
Das kgl. Resktript an den böhmischen Landtag lautek: „Als
Wir mit Unserem Patente vom 30. Juli 1870 die Landtage Unserer König-
reiche und Länder in die gesetzlichen Versammlungsorte einberiefen, sahen Wir
Uns hiezu zunächst durch die folgenschweren Ereignisse veranlaßt, deren Schau-
platz Europa geworden und deren Verlauf und nicht zu ermessende Tragweite
Unsere ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen mußte. — Unter dem Schutze
Gottes ist es Uns gelungen, diesen erschütternden Ereignissen gegenüber die
Segnungen des Friedens zu erhalten und mit voller Beruhigung können Wir
Uns abermals dem Werke der inneren Konsolidirung des Reiches zuwenden.
Es ist Unser Wunsch, daß vor Allem die Beziehungen Unseres Königreiches
Böhmen zum Gesammtreiche, deren Revision Wir mit Unserem Reskripte vom
25. August 1870 zugesichert haben, einer allseitig gerechten und befriedigenden
Regelung zugeführt werden. — Eingedenk der staatsrechtlichen Stellung der
Krone Böhmens und des Glanzes und der Macht bewußt, welche dieselbe Uns
und Unseren Vorfahren verliehen hat, eingedenk ferner der unerschütterlichen
Treue, mit welcher die Bevölkerung Böhmens jederzeit Unseren Thron stühte,
erkennen Wir gerne die Rechte dieses Königreichs an, und sind
bereit, diese Anerkennung mik Unserem Krönungseide zu erneuern. Wir können
Uns aber auch nicht den feierlichen Verpflichtungen entziehen, die Wir Unseren
übrigen Königreichen und Ländern gegenüber durch Unser Diplom vom
20. Oktober 1860, sowie durch die Staatsgrundgesetze vom 26. Februar 1861
und 21. Dezember 1867, endlich durch den Unserem Königreiche Ungarn ge-
leisteten Krönungseid eingegangen sind. Mit Befriedigung nehmen Wir daher
Akt von der in den allerunterthänigsten Adressen des Landtags Unseres König-
reichs Böhmen vom 14. September und 5. Oktober 1870 ausgesprochenen
Bereitwilligkeit, die Rechtsansprüche des Landes in Einklang zu bringen
mit den Anforderungen der Machtstellung des Reiches und mit den berechtigten
Ansprüchen der andern Königreiche und Länder. Wir fordern den Landtag
auf, in diesem Sinne an das Werk zu schreiten, im Geiste der Mäßigung
und Versöhnung die zeitgemäße Ordnung der staatsrechtlichen Verhältnisse
Unseres Königreichs Böhmen zu berathen und Uns die Möglichkeit zu schaffen,
ohne Verletzung der Rechte Unserer übrigen Königreiche und Länder einen Ver-
fassungsstreit zu beenden, dessen längere Fortdauer das Wohl Unserer treuen
Völker in bedenklicher Weise bedrohen würde. Indem Wir Unsere Regierung
weiter beauftragen, dem Landtage die bereits mit Unserem Reskript vom
26. September 1870 in Aussicht genommene neue Landtagswahlordnung und
ein Gesetz zum Schutze der beiden Nationalitäten des Landes vorzulegen, ent-
bieten Wir in Gnaden dem Landtag Unsern Kaiserlichen und Königlichen Gruß.-“
Im krainischen Landtag verliest der Landeshauptmann die Erklärung
der abwesenden 13 Minoritätsmitglieder, worin sie sagen, daß, nachdem der
Landtag durch die vorjährige Adresse die bestehende Verfassung als einer rechts-
giltigen Grundlage entbehrend erklärt, sich somit außerhalb des Rahmens der
Staatsgrundgesetze gestellt und zu einer illegalen Versammlung gemacht hat,
die Minorität insolange an dessen Verhandlungen nicht theilnehmen wird, bis
der Landtag die Anerkennung der bestehenden Staatsgrundgesetze rückhaltslos
bethätigt haben wird.
Die 16 verfassungstreuen Abgeordneten, die nicht am oberösterreichi-
schen Landtag Theil nehmen, motiviren diesen Schritt damit, daß sie wegen
Mangels der Handelskammer-Vertretung den Landtag dermalen nicht als legal
anerkennen. Der Statthalter erklärt dagegen, daß die Regierung den Landtag
in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung und alle verfassungsmäßigen Be-
schlüsse desselben als legal ansehe.
Im Landtage von Mähren sind die verfassungstreuen Abgeordneten nicht
erschienen. Eine Deputation aus ihrer Mitte überreicht dem Landeshaupt-
mann die einhellige Erklärung, daß die sämmtlichen verfassungstreuen Abge-