Full text: Europäischer Geschichtskalender. Chronik und geschichtlicher Überblick der denkwürdigen Jahre 1870 und 1871. Zweiter Band. (11a)

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COesterreich-Angarn. 
Als charakteristisch für die Plane und Ziele der klerikalen Partei wollen 
wir aus denselben einige Proben anführen. Vor allem wird vom Vorarl- 
berger Landtag die Aufhebung der bestehenden Volksschulgesetze, sowie damit 
im Zusammenhange verlangt, es möge der volle und ungeschmälerte Einfluß 
der Kirche in der Schule und auf die Schule wiederhergestellt werden. Der 
Seelsorger jedes Orts müsse eo ipso den Vorsitz im Ortsschulrathe führen 
und als Schulinspector fungiren; folgerichtig stehe ihm auch das Recht zu, in 
allen Fragen didaktischer oder pädagogischer Natur dem Lehrer Aufträge und 
Weisungen zu ertheilen. Die Vertretung des Staats im Bezirksschulrathe 
habe ganz zu entfallen; der Vorsitz in dieser Körperschaft stehe vielmehr einem 
sogenannten Bezirksschulinspinctor zu, der vom Bischofe zu ernennen sei. Dieser 
Bezirksschulinspector solle auch das Executivorgan des Bezirksschulrathes sein. 
Die Besetzung der Landesschulinspectorstelle solle in Zukunft nicht mehr auf 
Antrag des Unterrichtsministers, sondern auf Vorschlag des Landeschefs und 
des Bischofs der Diöcese erfolgen; der betreffende Gesetzentwurf räumt sogar 
der Stimme des letzteren ein größeres Gewicht ein, als der des Landeschefs. 
Weiter will der Vorarlberger Landtag der Kirchenbehörde auch das Recht 
einräumen, alle Lehrbücher und Lehrmitttel vor deren Einführung in Schulen 
zu prüfen und ein Gutachten darüber abzugeben; das Lehrpersonal solle in 
Bezug auf Glauben und Sittlichkeit vom Bischofe Überwacht werden. Finde 
der Bischof ein Buch oder einen Lehrer bedenklich, so reiche sein Veto hin, 
die Zulassung an Schulen unmöglich zu machen. In diesem Sinne solle 
auch dem Landesschulrathe das definitive Lehrerernennungsrecht entzogen 
werden. 
7. Oct. (Oesterreich: Böhmen.) Landtag: die 30er Commission tritt 
endlich mit ihrem Elaborat hervor. Es besteht in dem Entwurf einer 
Adresse an den Kaiser und einer Reihe von Fundamentalartikeln, die 
eine ganz neue Verfassung zunächst für das Königreich Böhmen, 
im Weiteren aber für ganz Oesterreich anstatt der bisherigen inaugu- 
riren sollen. Dieselben übertreffen noch weit alles, was die Deutsch- 
Oesterreicher und Anhänger der bisherigen Verfassung von der czechisch- 
feudal-klerikalen Majorität des böhmischen Landtags erwartet oder ge- 
gefürchtet hatten. Im ersten Augenblick sind sie darüber geradezu 
sprachlos vor Erstaunen. Die Forderungen der Czechen gehen im 
Wesentlichen dahin: 
In dem Adreßentwurf wird die Anerkennung des Uebereinkommens 
mit Ungarn ausgesprochen, die Regelung der staatsrechtlichen Verhältnisse 
Böhmens dargelegt und die Bitte gestellt, die unterbreiteten Fundamentalartikel, 
sowie die die Nationalität und die Wahlordnung betreffenden Gesetzentwürfe 
einem dieser Wahlordnung gemäß zu wählenden Krönungslandtage schon jetzt 
zur Vereinbarung vorzulegen und die auf diesem Krönungslandtage erzielte 
Feststellung der staatsrechtlichen Verhältnisse Böhmens in einem Majestätsbrief 
dem Volke zu verkünden und unter den Schutz des Krönungseides zu stellen. 
In der Adresse heißt es ferner, man habe mit herzlichem Bedauern bei der 
Berathung der Vorlagen die Mitwirkung der deutschen Abgeordneten entbehrt, 
aber um so mehr es für Pflicht erachtet, die Wahrung der geistigen und 
materiellen Interessen der Deutschen im Auge zu halten. Der gleichfalls von 
der Commission festgestellte Entwurf eines Memorandums knühft an die 
pragmatische Sanction an. Derselbe erkennt den sanctionirten Ausgleich mit 
Ungarn an und beantragt zur Feststellung der Grundlagen über die Stellung 
des Königreichs Böhmen zu den Ländern der ungarischen Krone und den 
übrigen Königreichen und Ländern folgende Fundamentalartikel, welche 
als Grungesetz gelten sollen: Das Königreich Böhmen erkennt als gemeinsam
	        
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