Oesterreich-Ungarn. 301
die äußeren Angelegenheiten und das Kriegswesen mit Ausschluß der Rekru-
tenbewilligung, der Gesetzgebung über die Art und Weise der Erfüllung der
Wehrpflicht, der Verfügung hinsichtlich der Dislozirung und Verpflegung des
Heeres und der Regelung der bürgerlichen Verhältnisse der Mitglieder des
Heeres an, ferner das Finanzwesen, soweit dasselbe gemeinschaftlich zu bestrei-
tende Auslagen betrifft. Das gemeinsame Ministerium hat nur gemeinsame
Angelegenheiten zu verwalten. Die Anordnungen bezüglich der Leitung,
Führung und inneren Organisation der gesammten Armee stehen ausschließ-
lich dem Kaiser zu. Das Königreich Böhmen erkennt die Delegation an;
der Landtag wählt in dieselbe aus seiner Mitte fünfzehn Delegirte und acht
Ersatzmänner. Böhmen nimmt diejenigen Bestimmungen als gültig an, welche
über die Einrichtung, den Wirkungskreis und die geschäftliche Behandlung der
Delegationen mit Ungarn vereinbart sind. Böhmen tritt dem finanziellen
Ausgleich mit Ungarn nach dem vereinbarten Quotensystem bei, sowie dem
Uebereinkommen bezüglich der Provinzialisirung der Militärgrenze und dem-
jenigen über den Beitrag zu den Kosten der allgemeinen Staatsschuld. Böhmen
erkennt ferner das mit Ungarn abgeschlossene Handelsbündniß an. Alle nicht
gemeinsamen Angelegenheiten gehören grundsätzlich zur Gesetz-
gebung des böhmischen Landtages. Do jedoch die gemeinschaftliche
Behandlung anderer gemeinschaftlicher Angelegenheiten im In-
teresse der Königreiche und Länder selbst rathsam und wünschenswerth ist, so
erkennt der böhmische Landtag das Bedürfniß an, für die Behandlung solcher
Angelegenheiten Vorsorge zu treffen. Solche gemeinsame Angelegenheiten sind:
die Zollgesetzgebung, die Gesetzgebung über Handels-, See= und Wechselrecht,
über Maß, Gewicht und Erfindungspatente, über den Musterschutz, über den
Schutz des geistigen Eigenthums, über Zettelbanken, indirekte Ausgaben, Mo-
nopole, Regalien, Stempel und Gebühren, Münzwesen, Verkehrsanstalten, über
Feststellung des Wehrsystems und alle Gesetze, welche zur Erhaltung, Einheit
und Schlagfertigkeit des Heeres erforderlich sind, das Staatsschuldenwesen, die
Verwaltung des unbeweglichen gemeinsamen Staatsvermögens, die Gesetzgebung
über die Staatsbürgerschaft sowie über den Aufenthalt und die zeitweise Nieder-
lassung von Ausländern. Diese Angelegenheiten werden einem Ministerium
übertragen, welches aus Ressortministern und Hofkanzlern, even-
tuell den Ministern der einzelnen Länder, besteht. Böhmen trägt
zu den gemeinsamen Angelegenheiten eine durch eine Deputation des Landtages
zu ermittelnde Prozentualquote bei, sowie eine zu vereinbarende Quote
zur Staatsschuld. Zu diesem Behufe wird die Deputation des Landtags
unter Vermittelung der Regierung mit den Deputationen der
übrigen Königreiche und Länder in Verhandlung treten. Böhmen
ist ferner bereit, mit den übrigen Königreichen und Ländern ein Uebereinkom-
men zu treffen bezüglich des Heimathrechts, des Paßwesens, der Fremdenpolizei,
der Gegenseitigkeit in Vollstreckung richterlicher Urtheile, der Anerkennung aka-
demischer Würden und Schulzeugnisse, sowie bezüglich der Gesetzgebung über
die Form und Behandlung der gemeinsamen Angelegenheiten. Ein zu bil-
dender Senat, welcher theils aus erblichen, theils aus auf Vorschlag des
Landtages vom Kaiser auf Lebenszeit zu ernennenden Mitgliedern besteht, in
welchem auch die Prinzen des Kaiserhauses, die Erzbischöfe und Fürstbischöfe
Platz nehmen, prüft und genehmigt die Staatsverträge, welche das Reich be-
lasten oder Gebietsveränderungen bezwecken. Der Senat entscheidet über
Streitigkeiten zwischen den Ländern, über Competenzstreitigkeiten zwischen dem
Congreß der Deputirten und den Landtagen und beschließt über Anträge auf
Aenderung der Fundamentalgesetze.
Der vollständige Wortlaut der beiden Aktenstücke ist folgender:
I. Adresse an den Kaiser: „Allerdurchlauchtigster Kaiser und König!
Allergnädigster Herr! Die Worte königlicher Huld, mit welchen Eure Maje-
stät in dem a. h. Rescripte vom 12. September die Anerkennung der staats-