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Oesterreich-Angarn.
rechtlichen Stellung der Krone Böhmen und der Rechte dieses Königreiches aus-
zusprechen geruhen, haben, manche schmerzliche Wunde heilend, in unseren
Herzen freudigen Wiederhall gefunden. Mit stolzem Bewußtsein vernehmen
wir dankbar die Versicherung a. h. Gedenkens der unerschütterlichen Treue,
mit welcher die Bevölkerung Böhmens jederzeit den Thron ihres Königs ge-
stützt hat — derselben unwandelbaren Treue, mit welcher stets für die Rechte
der Krone Böhmen einzustehen wir als unsere heilige Pflicht gegen unser Vater-
land, gegen das Reich, gegen den Monarchen erkannt und geübt haben.
„Von jenem Standpunkte aus, welchen wir in der ehrfurchtsvollen Adresse
vom 14. September 1870 und der sie begleitenden Denkschrift klar gelegt
haben und welchen die in der Landtagssession vom Jahre 1870 niedergelegten
Rechisverwahrungen zum Ausdrucke bringen, eingedenk ferner der Tragweite
wie der Grenzen unseres Mandates — glauben wir eine patriotische Pflicht
zu erfüllen, indem wir, der allergnädigsten Aufforderung Eurer Mojestät fol-
gend, im Geiste der Mäßigung und Versöhnung ans Werk gehen und
dem staatsrechtlichen Ausgleiche den Weg bahnen durch Formulirung jener
Grundsätze, nach welchen unserer Ueberzeugung gemäß unter den gegebenen
Verhältnissen das Recht des Königreiches Böhmen unter voller Beachtung der
Anforderungen der Machtstellung des Reiches und der berechtigten Ansprüche
der anderen Königreiche und Länder zur Geltung gelangen könnte. Wir haben
uns hiebei die ehrfurchtsvolle Achtung der eingegangenen Verpflichtungen Eurer
Majestät ebenso unverrückt vor Augen gehalten, als unsere Pflicht, die In-
tegrität der Krone Böhmen, das Recht unseres Landes, wie es aus der Ge-
schichte hervorgegangen, in Verträgen begründet und von Eurer Moajestät Vor-
fahren in feierlichster Weise gewährleistet, unantastbar aufrecht steht, zu wahren.
„In diesem Sinne haben wir die Neugestaltung der staatsrechtlichen Ver-
hältnisse Böhmens in einer Reihe von Fundamental-Artikeln zusammen-
gefaßt, welche durch das Votum eines vollberechtigten Landtages
und die a. h. Sanction Eurer Majestät die Geltung eines Grundgesetzes des
Königreiches Böhmen erlangen würden.
„Getreu unseren Anschauungen von der Unverletzlichkeit beschworenen Staats-
rechtes und getreu unserer in den ehrerbietigsten Adressen vom Jahre 1870
abgegebenen Versicherung, zugleich in schuldiger Ehrfurcht vor der Action unseres
allergnädigsten Monarchen, konnten wir nicht anders als — in den vollzoge-
nen Thatsachen jene Momente würdigend — anerkennen und als unberletzlich
betrachten, was in Ungarn durch Vereinbarung seines legalen Reichstages mit
Eurer Majestät und durch den von Allerhöchstdemselben geleisteten Krönungs-
eid Recht und Gesetz geworden ist. Es würde deßhalb in den Fundamental-
Artikeln das Königreich Böhmen seinen Beitritt zu dem seiner Zeit ohne
dessen Mitwirkung zu Stande gekommenen Ueber einkommen mit dem
Königreiche Ungarn nachträglich rechtskräftig erklären. Durch
die Aufnahme dieser Erklärung in die Grundgesetze des Königreiches Böhmen
würden die allen Königreichen und Ländern gemeinsamen Institutionen endlich
jene Gewähr allseitiger Anerkennung erlangen, welche deren inniger und un-
trennbarer Verband in der freien Annahme der pragmatischen Sanction ge-
funden hat. Dieser Anerkennung entsprechend, würden durch die Fundamental-
Artikel die Beziehungen zum Königreiche Ungarn in einer Weise geregelt,
welche weder mit dem Geiste, noch mit dem Wortlaute des ungarischen Ge-
setzes im Widerspruche steht — eine dem Ganzen wie seinen Theilen gleich
heilsame Fortbildung dieser Beziehungen der Zeit und dem naturgemäßen Ent-
wicklungsgange staatlicher Institutionen überlassend.
„Mit gleich gewissenhafter Achtung jedes bestehenden Rechtes ist in den
Fundamental-Artikeln den Ansprüchen der anderen Königreiche und
Länder Rechnung getragen. Wenn in denselben dem Königreiche Böhmen
die im Rechte und in den Bedürfnissen des Landes begründete Freiheit vor-
behalten bleibt, über seine eigenen Angelegenheiten selbst zu beschließen, seine