Full text: Europäischer Geschichtskalender. Chronik und geschichtlicher Überblick der denkwürdigen Jahre 1870 und 1871. Zweiter Band. (11a)

302 
Oesterreich-Angarn. 
rechtlichen Stellung der Krone Böhmen und der Rechte dieses Königreiches aus- 
zusprechen geruhen, haben, manche schmerzliche Wunde heilend, in unseren 
Herzen freudigen Wiederhall gefunden. Mit stolzem Bewußtsein vernehmen 
wir dankbar die Versicherung a. h. Gedenkens der unerschütterlichen Treue, 
mit welcher die Bevölkerung Böhmens jederzeit den Thron ihres Königs ge- 
stützt hat — derselben unwandelbaren Treue, mit welcher stets für die Rechte 
der Krone Böhmen einzustehen wir als unsere heilige Pflicht gegen unser Vater- 
land, gegen das Reich, gegen den Monarchen erkannt und geübt haben. 
„Von jenem Standpunkte aus, welchen wir in der ehrfurchtsvollen Adresse 
vom 14. September 1870 und der sie begleitenden Denkschrift klar gelegt 
haben und welchen die in der Landtagssession vom Jahre 1870 niedergelegten 
Rechisverwahrungen zum Ausdrucke bringen, eingedenk ferner der Tragweite 
wie der Grenzen unseres Mandates — glauben wir eine patriotische Pflicht 
zu erfüllen, indem wir, der allergnädigsten Aufforderung Eurer Mojestät fol- 
gend, im Geiste der Mäßigung und Versöhnung ans Werk gehen und 
dem staatsrechtlichen Ausgleiche den Weg bahnen durch Formulirung jener 
Grundsätze, nach welchen unserer Ueberzeugung gemäß unter den gegebenen 
Verhältnissen das Recht des Königreiches Böhmen unter voller Beachtung der 
Anforderungen der Machtstellung des Reiches und der berechtigten Ansprüche 
der anderen Königreiche und Länder zur Geltung gelangen könnte. Wir haben 
uns hiebei die ehrfurchtsvolle Achtung der eingegangenen Verpflichtungen Eurer 
Majestät ebenso unverrückt vor Augen gehalten, als unsere Pflicht, die In- 
tegrität der Krone Böhmen, das Recht unseres Landes, wie es aus der Ge- 
schichte hervorgegangen, in Verträgen begründet und von Eurer Moajestät Vor- 
fahren in feierlichster Weise gewährleistet, unantastbar aufrecht steht, zu wahren. 
„In diesem Sinne haben wir die Neugestaltung der staatsrechtlichen Ver- 
hältnisse Böhmens in einer Reihe von Fundamental-Artikeln zusammen- 
gefaßt, welche durch das Votum eines vollberechtigten Landtages 
und die a. h. Sanction Eurer Majestät die Geltung eines Grundgesetzes des 
Königreiches Böhmen erlangen würden. 
„Getreu unseren Anschauungen von der Unverletzlichkeit beschworenen Staats- 
rechtes und getreu unserer in den ehrerbietigsten Adressen vom Jahre 1870 
abgegebenen Versicherung, zugleich in schuldiger Ehrfurcht vor der Action unseres 
allergnädigsten Monarchen, konnten wir nicht anders als — in den vollzoge- 
nen Thatsachen jene Momente würdigend — anerkennen und als unberletzlich 
betrachten, was in Ungarn durch Vereinbarung seines legalen Reichstages mit 
Eurer Majestät und durch den von Allerhöchstdemselben geleisteten Krönungs- 
eid Recht und Gesetz geworden ist. Es würde deßhalb in den Fundamental- 
Artikeln das Königreich Böhmen seinen Beitritt zu dem seiner Zeit ohne 
dessen Mitwirkung zu Stande gekommenen Ueber einkommen mit dem 
Königreiche Ungarn nachträglich rechtskräftig erklären. Durch 
die Aufnahme dieser Erklärung in die Grundgesetze des Königreiches Böhmen 
würden die allen Königreichen und Ländern gemeinsamen Institutionen endlich 
jene Gewähr allseitiger Anerkennung erlangen, welche deren inniger und un- 
trennbarer Verband in der freien Annahme der pragmatischen Sanction ge- 
funden hat. Dieser Anerkennung entsprechend, würden durch die Fundamental- 
Artikel die Beziehungen zum Königreiche Ungarn in einer Weise geregelt, 
welche weder mit dem Geiste, noch mit dem Wortlaute des ungarischen Ge- 
setzes im Widerspruche steht — eine dem Ganzen wie seinen Theilen gleich 
heilsame Fortbildung dieser Beziehungen der Zeit und dem naturgemäßen Ent- 
wicklungsgange staatlicher Institutionen überlassend. 
„Mit gleich gewissenhafter Achtung jedes bestehenden Rechtes ist in den 
Fundamental-Artikeln den Ansprüchen der anderen Königreiche und 
Länder Rechnung getragen. Wenn in denselben dem Königreiche Böhmen 
die im Rechte und in den Bedürfnissen des Landes begründete Freiheit vor- 
behalten bleibt, über seine eigenen Angelegenheiten selbst zu beschließen, seine
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.