Full text: Europäischer Geschichtskalender. Chronik und geschichtlicher Überblick der denkwürdigen Jahre 1870 und 1871. Zweiter Band. (11a)

GOesterreich-Angarn. 305 
hörenden Bewohner unseres Vaterlandes vor Augen gehalten. Wir können 
nur die Hoffnung aussprechen, daß aus der entscheidenden Behandlung dieses 
Gesetzes im Krönungs-Landtage dasselbe mit der ganzen Weihe eines frei 
und freudig zu treuer Eintracht geschlossenen Bundes beider Volksstämme her- 
vorgehen möge. 
„Den Entwurf einer neuen Landtags-Wahlordnung, welchen Eurer 
Majestät Regierung uns vorgelegt hat, haben wir gleichfalls einer eingehenden 
Prüfung unterzogen und haben uns bemüht, an demselben in jenen Punkten, 
in welchen wir deren Bestimmungen als den Verhältnissen der Bevölkerungs- 
zahl, Steuerleistung, landwirthschaftlichen und industriellen Produktion, sowie 
moralischen Gewichtes nicht entsprechend erkannten, auf Grund reichen statisti- 
schen Materials und in billiger Würdigung aller Verhältnisse ausgleichende 
Aenderungen vorzunehmen. Wir verkennen nicht die Schwierigkeit der 
Aufgabe, in den Bestimmungen einer Wahlordnung allen begründeten An- 
sprüchen gleichmäßig und allseitig befriedigend gerecht zu werden — eine 
Schwierigkeit, welche in diesem Falle um so tiefer von uns empfunden wurde, 
als auch in dieser wichtigen Frage die Interessen so vieler Wahlbezirke der 
Wahrung durch ihre zunächst berufenen Vertreter entbehrten. Wir verkennen 
auch nicht, daß diese Wahlordnung noch mancher Verbesserung fähig ist, welche 
wir von der Zukunft und dem einträchtigen Zusammenwirken aller Vertreter 
unseres Landes erwarten können. Doch glauben wir dieselbe im Großen und 
Ganzen als geeignet erkennen zu dürfen, um durch auf ihrer Grundlage vor- 
zunehmende Wahlen zu einem getreuen Ausdrucke der Anschauungen, Wünsche 
und Bestrebungen des Volkes von Böhmen zu gelangen. 
„Allergnädigster König und Herr! Wenngleich der gegenwärtig versam- 
melte Landtag sich weder nach seiner Grundlage noch nach seiner Zusammen- 
setzung als berufen erkennen kann, den staatlichen Ausgleich entgültig zu 
vollziehen, so darf er sich doch, gestützt auf das Bewußtsein, in der ihm 
durch die Wohlordnung und die Landesordung vom 26. Februar 1861 zuge- 
wiesenen Stellung die Vertrauensmandate der überwiegenden Mehrheit der 
politischen Nation von Böhmen zu besitzen, berechtigt fühlen, auf dem 
Wege vorausgehender Vereinbarung die Vollendung des Friedenswerkes vor- 
zubereiten. 
b„Von dem Wurnsche des Gelingens beseelt, haben wir beschlossen, die in 
Fundamental-Artikeln formulirten Grundzüge zur Regelung der staatsrecht- 
lichen Verhältnisse des Königreiches Böhmen, das Gesetz zum Schutze des 
gleichen Rechtes der böhmischen und deutschen Nationalität und die Wahl- 
ordnung, wie diese letzteren aus unserer Berathung der Regierungsvorlagen 
hervorgegangen sind, Eurer Majestät mit der Bitte zu überreichen, Allerhöchst- 
dieselben wollen geruhen, diese Gesetzvorschläge dem Krönungsland- 
tage des Königreiches Böhmen vorlegen und zugleich die bezüglich 
der Landesordnung und des Krönungsstatuts nöthige Vereinbarung 
anbahnen zu lassen. 
„Auch wollen Euer Majestät vorzusorgen geruhen, daß unter Vereinbarung 
mit den Landtagen der übrigen Länder der Krone Böhmen die Regelung 
der gegenseitigen Beziehungen derselben eingeleitet und daß dieselben in 
herkömmlicher Weise zur Theilnahme an dem Krönungsacte aufgefordert 
werden. 
„Nachdem die von Eurer Majestät allerdurchlauchtigstem Vorgänger, Sr. 
k. k. Apostolischen Majestät Ferdinand I., dieses Namens in Ungarn und 
Böhmen dem V., zugleich mit dem a. h. Handschreiben vom 8. April 1848 
erlassene Wahlordnung in Folge der seither veränderten Verhältnisse nicht zur 
Anwendung gelangen kann, die Wahlordnung vom 26. Februar 1861 aber 
in entschiedenem, auch vom Landtage wiederholt dargethanen Widerspruche steht 
mit den gerechten Ansprüchen der Bevölkerung, so glauben wir Eurer Maje- 
stät die Bitte aussprechen zu sollen, daß bei der Wahl der Vertreter zum 
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