314 Gesterreich-Angarn.
samen Delegation der diesseitigen Königreiche und Länder selbst vorzu-
nehmen. Alle übrigen Angelegenheiten, welche nicht allen König-
reichen und Ländern der Monarchie gemeinsam sind, würden grundsätzlich ins-
gesammt in das Gebiet der Gesetzgebung des tyrolischen Land-
tages und der Verwaltung der tyrolischen Landesregierung fallen. Da es
aber unter diesen Angelegenheiten solche gibt, deren gemeinschaftliche Behand-
lung entweder für immer oder doch gegenwärtig im Interesse der Monarchie
und im Interesse der nicht zur ungarischen Krone gehörigen Königreiche und
Länder liegt, und da auch in dem Uebereinkommen mit dem Königreiche Ungarn
gewisse Gegenstände als solche bezeichnet sind, welche zwar nicht gemeinsam,
aber doch nach gleichen von Zeit zu Zeit zu vereinbarenden Grundsätzen ver-
waltet werden sollen, so erkennt der tyrolische Landtag das Bedürfniß an, daß
die Gesetzgebung in den bezeichneten Gegenständen an einen Congreß von
durch die Landtage der nicht ungarischen Königreiche und Länder zu wählenden
Delegirten übertragen und die betreffende Verwaltung durch ihre gemein-
samen Fachminister besorgt werde.
Dieselbe clericale Mehrheit lehnt den Antrag der liberalen Minder-
heit, den Reichsrath nur unter dem Vorbehalte, daß es ein „ver-
fassungsmäßiger“ sei, zu beschicken, ab, worauf die Minderheit den Saal
unter Protest verläßt.
13. Oct. (Oesterreich: Mähren.) Landtag: beschließt, in Abwesenheit
sämmtlicher deutscher Abgeordneter, einstimmig folgende Adresse (Bericht-
erstatter Dr. Prazak) an den Kaiser, die sich eng an die Adresse und
an die Fundamentalartikel des böhmischen Landtags anschließt:
.. „Der Reichsrath hat nach Vollziehung des Ausgleichs mit Ungarn
für die übrigen Königreiche und Länder das Grundgesetz über die Reichsver-
tretung vom 21. December 1867 beschlossen, wodurch die staatsrechtlichen Ver-
hältnisse der einzelnen Länder einer größeren Gefährdung ausgesetzt wurden,
als dies durch die Patente vom 26. Februar 1861 geschehen war. Denn
diese letzteren wurden — so sehr sie den Rechten der einzelnen Länder nahe
traten — von dem Gedanken der Erhaltung der Einheit und Machtstellung
der gesammten Monarchie getragen, welche in dem nach der pragmatischen
Santtion wichtigsten Fundamental-Gesetze des Reiches, dem von Eurer Majestät
erlassenen Diplome vom 20. October 1860, einen so richtigen Ausdruck ge-
funden hat. Das Grundgesetz über die Reichsvertretung vom 21. December
1867 hat aber im Widerspruche mit dem innersten Wesen der Monarchie eine
Zweitheilung des Reiches zu vollenden angestrebt, von der das Reich selbst
in der Zeit der absoluten Herrschaft verschont bliebb.
„Das Uebel, an welchem die Monarchie in Folge der Institution des
Reichsrathes in seiner jetzigen Zusammensetzung krankt, trat immer unverhüllter
hervor. Jene Partei im Abgeordnetenhause, welche seit 1861 kein lebhafteres
Streben bekundete, als durch Befestigung einer unnatürlichen Parteiherrschaft
das Zustandekommen eines Ausgleiches unter den einzelnen Völkern des Reiches
wenn sie ihn schon nicht verhindern könnte, ihn doch zu verzögern, sie sah sich
durch den wiederholt ausgesprochenen Willen nach Erzielung einer Verständi-
gung unter den Völkern des Reiches in ihrer Herrschaft immer mehr bedroht.
Und diese Partei mußte sich zumeist aus jenen Abgeordneten zusammenfinden,
welche in den Ländern in der Mehrheit, theilweise ohne Herz für die Geschichte
und die heiligsten Gefühle der Bevölkerungen dieser Länder, durch den Reichs-
rath den unnatürlichen Zustand einer Parteiherrschaft im ganzen Reiche er-
halten wollten. Und welche bedenklichen Zustände mußte ein solches System
in den Ländern selbst hervorbringen, wenn durch eine künstliche Wahlordnung
die Überwiegende Mehrheit des Volkes im Landtage des eigenen Landes in die