Full text: Europäischer Geschichtskalender. Chronik und geschichtlicher Überblick der denkwürdigen Jahre 1870 und 1871. Zweiter Band. (11a)

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Oesterreich-Angarn. 
müssen, so gehen über die Wege, wie zu dem großen Ziele der Verständigung 
gelangt werden soll, die Rechtsanschauungen auseinander. 
„Weitaus die Mehrzahl der Länder hält die Landtage für den Boden, 
auf welchem das Werk der Verständigung erzielt werden soll. Es läßt sich 
aber auch nicht verkennen, daß ein Theil der deutschen Länder den Reichs- 
rath als den alleinigen Boden ansieht, wo die Wünsche der Länder nach An- 
erkennung ihrer Rechte zur Austragung gelangen sollen. Der treugehorsamste 
Landtag des Markgrafenthums Mähren hält es für seine loyale Pflicht, es 
offen auszusprechen, daß nach seiner von altersher überkommenen Verfassung, 
welche durch die pragmatische Sanction und durch das kaiserliche Diplom vom- 
20. October 1860 wiederholte Anerkennung gefunden hat, der Landtag dieses 
Markgrafenthums es ist, wo jegliche Aenderung des öffentlichen Rech- 
tes beschlossen werden muß, und daß nur das, was hierüber der Landtag 
beschließt und wozu Eure Majestät als Landesfürst zustimmt, das Land ver- 
pflichten kann. Der Landtag verkennt aber nicht, daß Eure Majestät den- 
jenigen Ihrer Völker gegenüber, welche das Staatsgrundgesetz vom 21. Deebr. 
1867 als die alleinige Quelle ihres Rechtes und verfassungsmäßigen Lebens 
ansehen, es wünschen und darauf beharren, auf dem Boden des Reichsrathes 
und auf Grund des Staatsgrundgesetzes vom 21. December 1867 jene Ver- 
änderung des Verfassungsrechtes vorzunehmen, welche, ohne den Ausgleich mit 
Ungarn zu berühren und ohne die Machtstellung der Monarchie zu gefährden, 
zur Anerkennung der Rechte der einzelnen Königreiche und Länder führen soll. 
„Der mährische Landtag ist bereit, einen neuen Beweis der Ehrfurcht gegen 
Eure Majestät und des bereitwilligen Entgegenkommens gegen die anderen 
Völker des Reiches zu liefern, wenn er die Wahlen in den Reichsrath 
vollzieht. So wie aber der Landtag in seiner allerunterthänigsten Adresse 
vom 27. Februar 1867 anläßlich der damaligen Vornahme der Wahlen in 
den Reichsrath die Voraussetzungen aussprach, unter welchen er die Wahl 
damals vorgenommen hat, so muß er es dermal aussprechen, daß die Vor- 
nahme der Wahlen nicht als eine verfassungsmäßige Verpflichtung 
des Landtages, sondern zu dem Zwecke vollzogen werde, um zu manifestiren, 
wie sehr die überwiegende Mehrzahl der Völker den Ausgleich anstrebe. 
„Die endliche Feststellung des öffentlichen Rechtes des Markgrafenthums 
kann aber nur in und mit der Vertretung des Landes erfolgen, daher es dem 
auf Grund einer gerechten Wahlordnung zusammengesetzten Landtage zustehen 
soll, seinerzeit die ihm von Eurer Majestät vorzulegenden königlichen Pro- 
positionen zu berathen und in die Landesgesetzgebung aufzunehmen. 
„Die Wahl in den Reichsrath muß daher der treugehorsamste Land- 
tag auch ohne alles Preäjudiz der Rechte des Landes vornehmen, wenn 
es nicht gelingen sollte, das Werk der Einigung und Verständigung im 
Reichsrathe anzubahnen. Dabei hält der Landtag sich für verpflichtet, 
seinen Wünschen über die Gestaltung des öffentlichen Rechtes 
nach den verschiedenen Beziehungen, in welchen unser Land zu 
den anderen Königreichen und Ländern steht, Ausdruck zu geben. 
Unangetastet durch die Veränderung der verfassungsmäßigen Zustände stehen 
zunächst die in Folge des XII. Gesetzartikels des ungarischen Reichstages von 
1867 festgestellten Beziehungen dieses Königreiches zu den übrigen Königreichen 
und Ländern der Monarchie und die in Folge des Ausgleiches für das Reich 
gemeinsam gewordenen Angelegenheiten, sowie die Form ihrer Behandlung 
durch die beiden von dem Königreiche Ungarn einerseits und den übrigen 
Ländern andererseits gewählten Delegationen. War ja doch der Ausgleich 
mit Ungarn der erste Sieg des Rechtes über die Centralisations-Bestrebungen 
der letzten Jahre, und mußte der Abschluß die anderen Länder hoffen lassen, 
daß auch ihnen die gesicherte Grundlage des Rechtes erreichbar sein werde. 
Doch erfordert es die Wahrung der Selbstständigkeit unserer Markgrafschaft, 
daß die auf dasselbe verhältnißmäßig entfallende Zahl von Mitgliedern der
	        
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