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Oesterreich-Angarn.
müssen, so gehen über die Wege, wie zu dem großen Ziele der Verständigung
gelangt werden soll, die Rechtsanschauungen auseinander.
„Weitaus die Mehrzahl der Länder hält die Landtage für den Boden,
auf welchem das Werk der Verständigung erzielt werden soll. Es läßt sich
aber auch nicht verkennen, daß ein Theil der deutschen Länder den Reichs-
rath als den alleinigen Boden ansieht, wo die Wünsche der Länder nach An-
erkennung ihrer Rechte zur Austragung gelangen sollen. Der treugehorsamste
Landtag des Markgrafenthums Mähren hält es für seine loyale Pflicht, es
offen auszusprechen, daß nach seiner von altersher überkommenen Verfassung,
welche durch die pragmatische Sanction und durch das kaiserliche Diplom vom-
20. October 1860 wiederholte Anerkennung gefunden hat, der Landtag dieses
Markgrafenthums es ist, wo jegliche Aenderung des öffentlichen Rech-
tes beschlossen werden muß, und daß nur das, was hierüber der Landtag
beschließt und wozu Eure Majestät als Landesfürst zustimmt, das Land ver-
pflichten kann. Der Landtag verkennt aber nicht, daß Eure Majestät den-
jenigen Ihrer Völker gegenüber, welche das Staatsgrundgesetz vom 21. Deebr.
1867 als die alleinige Quelle ihres Rechtes und verfassungsmäßigen Lebens
ansehen, es wünschen und darauf beharren, auf dem Boden des Reichsrathes
und auf Grund des Staatsgrundgesetzes vom 21. December 1867 jene Ver-
änderung des Verfassungsrechtes vorzunehmen, welche, ohne den Ausgleich mit
Ungarn zu berühren und ohne die Machtstellung der Monarchie zu gefährden,
zur Anerkennung der Rechte der einzelnen Königreiche und Länder führen soll.
„Der mährische Landtag ist bereit, einen neuen Beweis der Ehrfurcht gegen
Eure Majestät und des bereitwilligen Entgegenkommens gegen die anderen
Völker des Reiches zu liefern, wenn er die Wahlen in den Reichsrath
vollzieht. So wie aber der Landtag in seiner allerunterthänigsten Adresse
vom 27. Februar 1867 anläßlich der damaligen Vornahme der Wahlen in
den Reichsrath die Voraussetzungen aussprach, unter welchen er die Wahl
damals vorgenommen hat, so muß er es dermal aussprechen, daß die Vor-
nahme der Wahlen nicht als eine verfassungsmäßige Verpflichtung
des Landtages, sondern zu dem Zwecke vollzogen werde, um zu manifestiren,
wie sehr die überwiegende Mehrzahl der Völker den Ausgleich anstrebe.
„Die endliche Feststellung des öffentlichen Rechtes des Markgrafenthums
kann aber nur in und mit der Vertretung des Landes erfolgen, daher es dem
auf Grund einer gerechten Wahlordnung zusammengesetzten Landtage zustehen
soll, seinerzeit die ihm von Eurer Majestät vorzulegenden königlichen Pro-
positionen zu berathen und in die Landesgesetzgebung aufzunehmen.
„Die Wahl in den Reichsrath muß daher der treugehorsamste Land-
tag auch ohne alles Preäjudiz der Rechte des Landes vornehmen, wenn
es nicht gelingen sollte, das Werk der Einigung und Verständigung im
Reichsrathe anzubahnen. Dabei hält der Landtag sich für verpflichtet,
seinen Wünschen über die Gestaltung des öffentlichen Rechtes
nach den verschiedenen Beziehungen, in welchen unser Land zu
den anderen Königreichen und Ländern steht, Ausdruck zu geben.
Unangetastet durch die Veränderung der verfassungsmäßigen Zustände stehen
zunächst die in Folge des XII. Gesetzartikels des ungarischen Reichstages von
1867 festgestellten Beziehungen dieses Königreiches zu den übrigen Königreichen
und Ländern der Monarchie und die in Folge des Ausgleiches für das Reich
gemeinsam gewordenen Angelegenheiten, sowie die Form ihrer Behandlung
durch die beiden von dem Königreiche Ungarn einerseits und den übrigen
Ländern andererseits gewählten Delegationen. War ja doch der Ausgleich
mit Ungarn der erste Sieg des Rechtes über die Centralisations-Bestrebungen
der letzten Jahre, und mußte der Abschluß die anderen Länder hoffen lassen,
daß auch ihnen die gesicherte Grundlage des Rechtes erreichbar sein werde.
Doch erfordert es die Wahrung der Selbstständigkeit unserer Markgrafschaft,
daß die auf dasselbe verhältnißmäßig entfallende Zahl von Mitgliedern der