Oesterreich-Angarn. 321
daß nicht ein Jota von unseren Fundamentalsätzen genommen
werden darf, daß unsere Abgeordneten keinen Schritt über die Landtags-
schwelle auf die verfassungsmäßige Bahn machen dürfen zur Erörterung ihrer
Forderung, ehe Garantien gegeben sind, daß sie es mit Ehren thun können.
Der Ausgleich mit Böhmen ist zu gewichtig, um auf der Wiener Lizitation
entschieden werden zu können. Mäkeln sie an Einem Punkte unserer Forde-
rungen, so mögen sie alle nehmen!“
Den Grundgedanken der ganzen Ausgleichspolitik, wie sie den Tendenzen
des Ministeriums Hohenwart-Schäffle zu Grunde liegt, spricht die Prager
„Narodny Listy“ kurz und bündig dahin aus: „Die Herstellung des
böhmischen Staates ist die Antwort auf die Errichtung des
deutschen Kaiserthumes.“
20. Oct. (Oesterreich.) Großer Ministerrath über die böhmische Frage,
7#
21.
22.
24.
an dem auch die Reichsminister Theil nehmen. Beide Theile, Hohen-
wart auf der einen und Beust, von Andrassy unterstützt, auf der
andern Seite, bringen gesondere Rescript-Entwürfe als Antwort auf
die Adresse des böhmischen Landtags zur Discussion, vermögen sich
jedoch nicht zu verständigen und beschließen ihre Vorschläge gesondert
der Entscheidung des Kaisers zu unterbreiten.
Die Einwendungen des Reichskanzlers gegen die böhmischen Forderungen
sind in folgende 4 Punkte zusammengefaßt:
1. Der ungarische Ausgleich darf keiner nachträglichen Cognition unter-
zogen werden;
2. alle auf denselben bezüglichen Gesetze (also auch insbesondere das Gesetz
über die Behandlung der gemeinsamen Angelegenheiten) dürfen nur auf die-
selbe Weise abgeändert werden, in welcher sie geschaffen wurden;
3.über die staatsrechtliche Stellung der österreichischen Länder ist bereits
durch die Verfassung entschieden;
4. die Regierung verspricht in dem Rescripte nicht, die Fundamental-
Artikel als Vorlage in den Reichsrath zu bringen.
„ (Oesterreich: Böhmen.) Landtag: beschließt, seine Sitzungen
einstweilen einzustellen bis „die staatsrechtliche Action wieder werde
fortgesetzt werden können“ d. h. bis das Antwortsrescript auf die
Adresse eingetroffen sein werde.
„ (Oesterreich.) Der Kaiser entscheidet sich bez. des Antworts-
rescripts an den böhmischen Landtag für Beust und gegen Hohenwart.
Graf Hohenwart lehnt es jedoch ab, seinerseits ein Rescript mit den
4 Punkten Beust's zu unterzeichnen ohne die Einwilligung der Czechen.
Rieger und Clam-Martinitz werden daher telegraphisch nach Wien
beschieden.
„ (Oesterreich.) Der Minister Schäffle, überzeugt, daß es Beust
nur durch die Unterstützung Andrassy's gelungen sei, beim Kaiser die
Oberhand zu gewinnen, läßt in seinem Organ den ungarischen Minister-
präsidenten in einem virulenten Artikel mit der Ueberschrift „König
Andrassy“ angreifen.
„ (Oesterreich.) Graf Andrassy kehrt nach Ungarn zurück. Rieger
und Clam-Martinitz treffen, nachdem ihr Sträuben gegen jede weitere
21