Oesterreich-Ungarn.
Unterhandlung durch eine ausdrückliche Berufung auf den Wunsch des
Kaisers überwunden worden war, in Wien ein.
25. Oct. (Oesterreich.) Die Czechenführer Rieger und Clam-Martinitz
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beantworten die Mittheilung des an den böhmischen Landtag zu er-
lassenden Antwortsrescripts mit den 4 Punkten Beust's durch ein
Memorandum an den Keiser.
Dieses Memorandum betont zunächst, daß die Verhandlungen unter den
Auspizien des Kaisers stattgefunden hätten, und daß die Czechenführer
nur unter der Bedingung in dieselben eingetreten seien, daß die von der Re-
gierung ihnen gegenüber eingegangenen Verpflichtungen vom Kaiser ange-
nommen würden. In Folge Dessen sei ein zweites Reseript entstanden und
schließlich von beiden Theilen angenommen wurden. Dieses Rescript sei für
den Fall gewährt worden, daß der Landtag die Reichsrathswahlen vornehme.
Käme jedoch ein anderes Rescript als das ursprünglich vereinbarte, so sollten
die Czechen jeder weitern Aktion enthoben sein. Nicht sie treten also von dem
besprochenen Programme zurück. Die Fassung des neuen Reseriptes verletze
das Rescript vom 12. September, denn es verlange, daß der böhmische Land-
tag den sog. Verfassungsstandpunkt anerkenne, daß die czechische Nation sich
also demüthige; zudem sei dieses Verlangen so schroff gestellt, als ob geradezu
gewünscht würde, daß die czechische Nation die neue Rescriptfassung ablehne.
Weiter werde das September-Rescript verletzt durch die Erklärung, daß die
Verhältnisse der außer-ungarischen Länder bereits durch die Staatsgrundgesetze
gegeben seien, eine Aenderung daher von der Zustimmung des Reichsraths ab-
hängig gemacht werde; hiemit sei vom Ausgleich abgelassen und die
gesammte Aktion desselben verstellt. Werde das neue Rescript an
den Landtag gelangen, so müsse derselbe die Reichstagswahlen ablehnen und
Ungarns Einwendungen unberücksichtigt lassen. Wenn jetzt der Ausgleichs-
faden abgerissen werde, könne er nie wieder aufgenommen werden. Die
aczechische Nation“ müsse zur früheren starren, bedingungslosen Oppo-
sition zurückkehren. Ein Landtag könne nie wieder zu Stande kommen.
„ (Ungarn.) Der Erzibischof Haynald von Kalocsa erklärt einer
zahlreich versammelten Conferenz seines Bisthums-Clerus, daß er be-
züglich des Unfehlbarkeitsdogmas seine individuelle und wissenschaft-
liche Ueberzeugung aus dem Herzen reiße und sich ganz dem Urtheile
der Kirche unterwerfe. Das Dogma sei nunmehr wie jede andere
katholische Lehre dem Volke zu predigen und in den Schulen zu lehren,
und es wird nunmehr, dem einstimmigen Beschlusse gemäß, auch in
dieser Diöcese gepredigt und gelehrt werden, wie dies schon seit Mo-
naten in anderen Diöcesen und unter den Augen der Regierungsver-
treter ohne die mindeste Rücksicht auf das kgl. Placet geschieht.
„ (Oesterreich.) Das Ministerium Hohenwart-Schäffle gibt seine
Entlassung ein.
„ (Ungarn.) Graf Andrassy wird neuerdings nach Wien berufen.
„ (Oesterreich.) Das Ministerium Hohenwart--Schäffle erhält, mit
Ausnahme des Finanzministers Holzgethan, seine Entlassung. Das
Rescript an den böhmischen Landtag geht von Holzgethan gegengezeichnet
nach Prag ab. Frhr. v. Kellersperg wird mit der Bildung eines
neuen Ministeriums auf Grundlage erneuerten Festhaltens an der Ver-
fassung betraut.