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Oesterreich-Ingarn.
Sept. l. J. ausdrücklich anerkannt und der Landtag aufgefordert wurde, die
Beziehungen dieses Königreiches zum Gesammtreiche einer allseitig gerechten und
befriedigenden Regelung zuzuführen; — Im vollen Bewußtsein, daß der Land-
tag dieser allerhöchsten Aufforderung in seinen Beschlüssen, so weit es an ihm
lag, entsprochen und die Verständigung aller Königreiche und Länder in ihrer
ganzen Bedeutung erfaßt habe — eine Verständigung, die eine freie, keine
Rechtsanschauung von vornherein ausschließende ist; — In Erwägung, daß die
staatsrechtliche Stellung dieses Königreiches die Judicatur einer andern legis-
lativen Körperschaft ausschließt, und daß die schwerste Verantwortung darin läge:
einer Ueberzeugung untreu zu werden, die mit den gewichtigsten Interessen der
Krone, des Landes wie des Reiches in unlösbarer Verbindung steht: — Er-
klärt der Landtag: beharren zu müssen bei seiner in vielfachen Staats-
schriften ausgesprochenen und standhaft begründeten Rechtsanschauung von der
Selbständigkeit des Königreiches und der Krone Böhmen im Verbande der
österreichischen Staaten: — Beharren zu mühssen bei seiner Ueberzeugung, daß
diese staatsrechtliche Stellung, dem Wesen eines auf gegenseitigem Ueberein-
kommen beruhenden bilateralen Rechtsverhältnisses gemäß, nicht anders als
durch Vereinbarung zwischen der in einem vollberechtigten Landtage vertretenen
Nation und dem legitimen Könige geordnet werden könne. Demnach beschließt
der Landtag — tren seinem Wort, seinem Entschluß, seiner Pflicht, das
Selbstbestimmungsrecht der politischen Nation von Böhmen zu wahren und
nimmer zuzugeben, daß die Vertreter anderer Länder und Völker zum Richter
gesetzt werden über die Rechte des Königreiches Böhmen, über das Verhältniß
des Volkes von Böhmen zu seinem legitimen Könige — die Wahlen in den
Reichsrath der nichtungarischen Königreiche und Länder abzulehnen, und
legt zugleich Verwahrung dagegen ein, daß diese Körperschaft je berechtigt
gewesen wäre dder je berechtigt sein könnte, über das Staatsrecht und die Ver-
fassung des Königreiches Böhmen zu beschließen."“
8. Nov. Der Reichskanzler Graf Beust erhält die nachgesuchte Entlassung.
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13.
16.
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Der ungarische Ministerpräsident, Graf Andrassy, telegraphisch nach
Wien berufen, erklärt sich bereit, als gemeinsamer Minister des Aus-
wärtigen (der Titel Reichskanzler geht wieder ein) an seine Stelle zu
treten. Als ungarischer Ministerpräsident soll Andrassy durch den bis-
herigen gemeinsamen Finanzminister Graf Lonyay ersetzt werden.
„ (Oesterreich: Böhmen.) Graf Clam-Martinitz und Rieger laden
zu einem Föderalistencongresse nach Prag ein.
„ (Ungarn.) Ministerrath in Pesth: Graf Andrassy bewegt den-
selben, Lonyay als Ministerpräsidenken anzunehmen.
„ Andrassy wird zum gemeinsamen Minister des Auswärtigen, Graf
Lonyay zum ungarischen Ministerpräsidenten ernannt. Beide leisten
den Eid in die Hände des Kaisers. Graf Beust soll zum Botschafter
in London ernannt werden.
„ (Oesterreich.) Baron Kellersperg scheitert in seinem Versuch, ein
neues cisleith. Ministerium zu bilden, daran, daß er auch die Ausgleichs-
verhandlungen mit Galizien fallen lassen will, wogegen sich namentlich
Andrassy ausspricht. Fürst Adolf Auersperg wird nunmehr mit der
Bildung des neuen Ministeriums betraut.
„ (Oesterreich: Böhmen.) In Folge der Weigerung des böhmischen
Landtags, den Reichsrath zu beschicken, ordnet ein kais. Patent directe
Reichsrathswahlen für Böhmen an.