Full text: Europäischer Geschichtskalender. Chronik und geschichtlicher Überblick der denkwürdigen Jahre 1870 und 1871. Zweiter Band. (11a)

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Oesterreich-Angarn. 
19. Dec. (Oesterreich: Böhmen.) Bei den directen Reichsrathswahlen 
20. 
23. 
24.— 
27. 
28. 
siegen in der Curie der Großgrundbesitzer die Feudalen mit 226 gegen 
202 Stimmen. Die gewählten 15 Abg. der Curie werden daher im 
Reichsrath nicht erscheinen. 
„ Der bisherige Botschafter in London, Graf Apponyi, wird an die 
Stelle des Fürsten Metternich nach Paris versetzt und so für den 
Grafen Beust Platz gemacht. 
„ (Oesterreich.) Der Kaiser ernennt 8 neue lebenslängliche Mit- 
glieder des Herrenhauses, darunter den gew. Präs. des Abgeordneten- 
hauses v. Kaiserfeld. 
„ (Ungarn.) Massenhafte Richterernennungen in Folge der neuen 
Gerichtsorganisation, die mit dem 31. d. M. in Kraft treten soll. 
Der Kaiser hat 1200, der ungarische Justizminister nicht weniger als 
8000 Ernennungsdecrete zu unterzeichnen. 
„ (Oesterreich.) Zusammentritt des Reichsraths. Die deutsche 
Verfassungspartei ist vollzählig erschienen, ebenso haben sich die Polen, 
die Vertreter der Küstenländer und die Dalmatiner eingefunden. Da- 
gegen fehlen sämmtliche Czechen aus Böhmen und Mähren sowie 
auch die meisten Slovenen, Tiroler, Vorarlberger und Clericalen. 
Das Abg.-Haus ist indeß beschlußfähig. 
„ (Oesterreich.) Feierliche Eröffnung des Reichsraths. Thronrede 
des Kaisers: 
„Geehrte Herren von beiden Häusern des Reichsrathes! Indem Ich Sie, 
Meinem Rufe und Ihrer Pflicht gewissenhaft Folge leistend, zum Beginne 
einer neuen Periode verfassungsmäßigen Wirkens um Meinen Thron ver- 
sammelt sehe, heiße Ich Sie willkommen und entbiete Ihnen meinen kaiser- 
lichen Gruß. Erfüllt von dem Wunsche, alle Volksstämme Meines Reiches 
zur ersprießlichen Theilnahme am gemeinsamen verfassungsmäßigen Leben 
heranzuziehen, habe Ich wiederholt Meiner Bereitwilligkeit Ausdruck gegeben, 
jeden geltend gemachten Anspruch mit Wohlwollen zu prüfen. Meine Geneigt- 
heit, mit Zustimmung des Reichsrathes die äußersten, mit der Staatseinheit 
verträglichen Zugeständnisse zu gewähren, vermochte jedoch nicht, den er- 
wünschten inneren Frieden herbeizuführen. Indem die Krone die Länder mit 
ihren Ansprüchen auf den durch die Verfassung vorgezeichneten Weg wies, 
wahrte sie das Recht des Gesammtstaates und schirmte zugleich das eigenste 
Interesse der einzelnen Königreiche und Länder. Meine Regierung, gebildet 
aus Männern, welche Mein Vertrauen aus Ihrer Mitte berief, hält es für 
ihre erste Aufgabe, den verfassun gsmäßigen Rechtszustand zu be- 
festigen und dem Gesetze auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens unbedingten 
Gehorsam zu sichern. In ruhiger Pflichterfüllung wird sie dahin wirken, daß 
die Verfassung feste Wurzel fasse und in stetiger Entwicklung reiche Früchte 
trage. Insoweit die eigenthümlichen Verhältnisse des Königreiches Galizien 
eine besondere Berücksichtigung in der Gesetzgebung und Verwaltung erfordern, 
wird Meine Regierung bereitwillig die Hand bieten, um die im Schooße der 
Reichsvertretung geltend gemachten Wünsche innerhalb der Grenzen der Einheit 
und Macht des Gesammtstaates zu erfüllen und hiemit diese Angelegenheit 
zum endgiltigen Abschluß zu bringen. Die Vorgänge der letzten Zeit 
haben die Erkenntniß zur Reife gebracht, daß, wie den Land- 
tagen eine autonome Stellung gewährleistet ist, so auch dem
	        
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