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lung bereits 4 Monate gedauert hat, hält der Sagastiner Navaro y
Rodrigo eine dreitägige Rede über seinen Vorschlag, das Tadelsvotum
gegen das Ministerium Malcampo nicht in Betracht zu ziehen, um
seinen Antrag schließlich einfach zurückzuziehen.
18. Nov. Cortes: Das Ministerium Malcampo (Sagasta) unterliegt seiner—
seits in einer Abstimmung einer Coalition der Partei Zorilla mit den
Republikanern, Carlisten und Alphonsisten mit 118 gegen 178 Stim-
men, worauf die Regierung sofort ein kgl. Decret zur Verlesung
bringt, das die Cortes bis zum 8. Jan. 1872 vertagt.
In der Debatte über die Internationale hatte die Partei Zorilla den Re-
gierungsantrag hauptsächlich damit bekämpft, daß derselbe einen Eingriff in
das von der Verfassung gewährleistete freie Vereinsrecht sei. Diese Lage sucht
nun die Carlistische Partei sofort auszubeuten, indem der Carlist Ochoa den
Antrag einbringt, daß auf Grund der Verfassung und des Vereinigungsrechts
auch den religiösen Assoziationen und Genossenschaften kein Hinderniß entgegen-
gestellt werden könne. Ochoa motivirt seinen Vorschlag mit einer Rede, deren
Kern der Ausruf ist: „Wir wollen nicht mehr und nicht weniger als gleiches
Recht für Alle!“ Die Minister des Innern und der Justiz erklären, daß sie
gegen die Inbetrachtnahme dieses Vorschlages nichts einwendeten, jedoch in Er-
innerung bringen müßten, daß die constituirenden Cortes die Jesuiten und die
Assoziation des heiligen Vincenz durch Gesetze abgeschafft hätten. Montero Rios
(Justizminister im Cabinete Zorilla) hebt hervor, daß in seinem Projekte zur
Reform des Kirchenwesens das Assoziationsrecht unbeschränkt gewahrt sei.
Figueras führt in längerer Rede aus, daß, wenn er nicht schon genugsam
überzeugt wäre, daß die Lage aller Logik bar sei, er jetzt nicht mehr daran
zweifeln könnte; die Republikaner würden zu Gunsten des katholischen Antrags
stimmen, soweit die religiösen Genossenschaften mit der Verfassung überhaupt
im Einklange seien. Der Congreß beschließt mit 187 gegen 78 Stimmen,
daß der Antrag Ochoa's, ohne erst an die Sektionen zu gehen, sogleich dis-
kutirt werde. Um Dieß aufzuhalten und möglicher Weise zu verhindern,
bringt der Unionist Romero Robledo (Unterstaats-Sekretär des Innern unter
Sagasta) den Vorschlag ein, es sei über die Proposition der Carlisten zur
Tagesordnung überzugehen und spricht beiläufig die ganze Nacht hindurch zur
Unterstützung seines Vorschlags, dessen Annahme die Regierung zur Cabinets-
frage gemacht hat. Um 6 Uhr Morgens wird zur Abstimmung geschritten
und der Vorschlag Nobledo's mit 178 gegen 118 Stimmen verworfen. Als
die Abstimmung vorüber ist, besteigt der Minister-Präsident unter dem tiefsten
Schweigen des Hauses die Tribüne, um ein königliches Decret zu verlesen,
durch welches die Cortes vertagt werden. — Inzwischen wird das Ministerium
auf Mittel zu sinnen haben, um im Congresse eine regierungsfähige Majorität
zu Stande zu bringen; die Republikaner einerseits und die Carlisten und
Alphonsisten andererseits dagegen sind entschlossen, jede Gelegenheit zu benutzen,
um das im Amte befindliche Ministerium und damit eine geordnete Regierung
unter dem Könige Amadeus überhaupt unmöglich zu machen, indem jede dieser
Parteien auf das allgemeine Chaos spekulirt, welches dem Sturze der „Dynastie
Savoyen"“ folgen muß.
— In Madrid constituirt sich ein altkatholisches Comité, das nicht
nur die Infallibilität und die Allgewalt des Papstes verwirft und
bekämpft, sondern auch durchgreifende Reformen innerhalb der kath.
Kirche anzustreben erklärt.
3. Dec. Der Prätendent Don Carlos erläßt an den legitimistisch-clericalen
französischen Oberst Cathelineau folgenden characteristischen Brief: