Full text: Europäischer Geschichtskalender. Chronik und geschichtlicher Überblick der denkwürdigen Jahre 1870 und 1871. Zweiter Band. (11a)

424 Rom. 
Zwecke veranstaltet wird, damit für die Erklärung eine geeignete Gelegenheit 
geboten sei. Obwohl nicht „ex cathedra“ abgegeben, solglich nicht irreformabel 
und nicht bindend, ja nicht einmal einfach offiziell, ist sie immerhin wichtig 
genug, um in der von dem Münchener erzöbischöflichen Blatte wie es scheint 
authentischen Fassung fixirt zu werden: Der Papst fordert hiernach die Mit- 
glieder der Akademie auf, jene Behauptungen zu widerlegen, mit welchen man 
den Begriff der päpstlichen Unfehlbarkeit fälschen wolle, und sagt: Unter den 
übrigen Irrthümern sei der maliziöseste jener, welcher behaupte, es sei in der 
Unfehlbarkeit das Recht eingeschlossen, Fürsten abzusetzen und die Völker vom 
Eide der Treue zu entbinden. Dieses Recht sei einige Male in äußerster 
Noth ausgeübt worden, habe aber mit der päßpstlichen Unfehlbarkeit durchaus 
nichts zu thun. Es sei eine Folge des damals geltenden öffentlichen Rechtes 
und des Uebereinkommens der christlichen Nationen, welche im Papste den 
obersten Richter der Christenheit erkannten, gewesen, daß die Päpste auch in 
weltlichen Dingen über Fürsten und einzelne Völker richteten. Die gegen- 
wärtigen Verhältnisse seien aber ganz und gar verschieden von den früheren, 
und nur Bosheit könne so verschiedene Dinge und Zeitverhältnisse mit ein- 
ander vermengen, als hätte ein unfehlbares Urtheil über eine Offenbarungs= 
wahrheit irgend welche Beziehung zu einem Rechte, welches die Päpste nach 
dem Willen der Völker ausüben mußten, wenn es das gemeinsame Beste ver- 
langte. Die Absicht, warum man eine so absurde Behauptung aufstelle, an 
welche Niemand und am wenigsten der Papst denke, liege klar zu Tage. Man 
suche nach Vorwänden, selbst den frivolsten und unwahrsten, um die Fürsten 
gegen die Kirche aufzureizen. „Einige wünschten“, fähri der hl. Vater fort, 
„daß ich die konziliarische Definition noch weiter und bestimmter erklärte. Ich 
will es nicht thun. Sie ist deutlich genug und bedarf keiner weiteren Kom- 
mentare und Erklärungen. Wer das Dekret mit aufrichtiger Gesinnung liest, 
Dem liegt sein wahrer Sinn leicht zu Tage. Euere Aufgabe nur ist es, mit 
euerer Gelehrsamkeit und euerem Scharfsinne diese Irrthümer zu bekämpfen, 
welche täuschen und berücken und Unwissende verführen können.“ 
8. Aug. Der Papst lehnt das Project der kath. Gesellschaft in Rom, 
ihm als Denkmal seines 25jährigen Jubiläums durch Beiträge der 
gesammten kath. Christenheit einen goldenen Thron zu weihen und den 
Beinamen „der Große“ beizulegen, ab. 
27. Oct. Der Papst ernennt eine Anzahl Bischöfe, darunter 13 italienische 
und verbindet damit eine Allocution gegen Italien, Baiern und die 
Altkatholiken: 
„ . . Wir werden, ehrwürdige Brüder, durch diese gewaltigen Fluthen 
überquellender Uebel schon beinahe verschlungen. Unter so vielen anderen 
Anlässen zur Betrübniß war immer der bitterste für uns die lange Verwaisung 
so vieler Bischofssitze, die in dem armen Italien schon lange des Schutzes ihrer 
Bischöfe entbehren. Angesichts der ungeheuren Zahl der verwaisten Sitze und 
der großen und volkreichen Provinzen Italiens, welche kaum zwei bis drei 
Bischöfe zählen; angesichts des Ungestüms der langwierigen Verfolgung gegen 
die Kirche und der Anstrengungen der Gottlosen, den katholischen Glauben aus 
den Herzen der Italiener auszurotten; angesichts der Gefahren der größten 
Verwirrungen, welche der bürgerlichen Gesellschaft selbst bevorstehen: haben 
wir nicht länger zögern zu dürfen erachtet, unseren geliebten Kindern, den 
Gläubigen Italiens, deren Klagen über ihre Verwaistheit auch oft zu uns 
gedrungen sind, so viel an uns ist, Hilfe zu bringen und ihnen durch Tugend 
ausgezeichnete Bischöfe vorzusetzen, welche sich einzig die Ehre Gottes und das 
Heil der Seelen vornehmen und darauf alle ihre Sorgfalt und all ihren 
Eifer verwenden. Wir erklären dabei offen, daß wir jene Bürgschaften, die
	        
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