Full text: Europäischer Geschichtskalender. Chronik und geschichtlicher Überblick der denkwürdigen Jahre 1870 und 1871. Zweiter Band. (11a)

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Schweiz. 
konnte auch den Kantonen nicht entgehen, welche von derselben zunächst betroffen 
wurden, Bern und Basel-Stadt. Beide befürworteten sehr die von uns bereits 
eingeleitete Intervention zur bestmöglichen Wahrung der schweizerischen Inter- 
essen, wobei sie indessen mehr nur die Abwehr der wirthschaftlichen Nachtheile 
ins Auge fassen zu sollen glaubten. Diesen zu begegnen, boten sich drei Mög- 
lichkeiten dar: entweder Ausschluß des südlichsten Theils des Elsasses von der 
Annexion, oder aber, wenn Deutschland auf vollständiger Loslösung des El- 
sasses von Frankreich bestehen sollte, Ueberlassung eines geeigneten Theils des- 
selben an die Schweiz, um von Basel aus auf schweizerischem Gebiet eine 
möglichst directe Verbindung mit Frankreich und dessen Eisenbahnnetz suchen 
zu können, oder aber, wenn auch darauf nicht eingegangen werden sollte, Er- 
wirkung von Garantien für directen, durch keinerlei neue Beschränkungen ge- 
hinderten, zollfreien Transitverkehr zwischen Frankreich und der Schweiz über 
deutsches Gebiet. Auf die erste der drei genannten Alternativen konnte, abge- 
sehen von gewissen Nachtheilen militärischer Natur, welche mit einem solchen 
Hereinragen einer schmalen Zunge französischen Landes zwischen deutsches und 
schweizerisches Gebiet für uns selbst verbunden gewesen wären, schon deßhalb 
nicht ernstlich reflectirt werden, weil an ein Eingehen auf ein solches Postulat 
deutscherseits nicht zu denken war. Unsere Instructionen an Hrn. Minister 
Kern bewegten sich daher auf dem Boden der beiden andern Alternativen, 
wobei selbstverständlich betreffs einer allfälligen Veränderung der schweizerischen 
Grenze nicht davon die Rede sein konnte, in der Friedensstipulation durch 
Frankreich und Deutschland eine solche Territorialveränderung der Schweiz 
festsetzen zu lassen, sondern lediglich die Aufnahme einer Bestimmung in die- 
selbe zu erwirken, welche der Schweiz die Möglichkeit einer solchen Verein- 
barung mit dem neuen Besitzer des Landes gesichert hätte. Diese Fragen 
wurden auf der Grundlage unserer Instructionen von Hrn. Kern wiederholt 
mit der Regierung der nationalen Vertheidigung in Paris besprochen, und 
es bedurfte keiner langen Nachweise, um sie zu überzeugen, daß die Rcttung 
eines directen, unbeschwerten Verkehrs zwischen Frankreich und der Schweiz 
ebensosehr im französischen wie im schweizerischen Interesse liege, und sie zu 
veranlassen, bei den Verhandlungen der Friedenspräliminarien schon ernsthaft 
dafür einzutreten. Wir nahmen auch keinen Anstand, dem Grafen Bismarck 
unseren Standpunkt in directer Weise auseinandersetzen zu lassen, da wir mit 
vollem Recht annehmen konnten, daß Deutschland bei Ausnutung seines Sieges 
nicht auch dem neutralen Lande Schädigungen zufügen, und die Bedingungen 
späterer Aufrechterhaltung seiner Neutralität erschweren wolle. Hier fand nun 
zwar unser Ansinnen eine wenig günstige Aufnahme; indessen brachten doch 
die Friedenspräliminarien eine solche Gestaltung der südöstlichen französischen 
Grenze, daß wenigstens für den Eisenbahn-Ausgangspunkt bei Pruntrut der 
unmittelbare directe Anschluß an das französische Eisenbahnnetz erhalten blieb. 
Wenn damit auch etwas, und nicht unwesentliches, gewonnen war, so war 
doch mit diesem Zugeständniß, wenn jene sonst allerdings nicht leicht erklärbare 
Grenze als ein Zugeständniß für uns angesehen werden konnte, weder unsern 
militärischen Bedürfnissen noch den Bedürfnissen des in Basel ein= und aus- 
gehenden französisch-schweizerischen Verkehrs Rechnung getragen. Wir fanden 
es daher geboten, im Hinblick auf die nach Abschluß der Präliminarien er- 
öffneten definitiven Friedensunterhandlungen in Brüssel, unsere Bestrebungen 
fortzusetzen, wobei wir, da französischerseits nur unser commercieller Gesichts- 
punkt, nicht aber auch unser militärischer, dessen Befriedigung eine Gebietsab- 
tretung erheischte, getheilt wurde, uns darauf angewiesen sahen, unsere Be- 
strebungen auf möglichst glückliche Lösung der Verkehrsfrage zu concentriren. 
Ob und wie diese Frage in Brüssel behandelt wurde, ist uns bis dato unbe- 
kannt geblieben; das erwünschte Ziel wurde jedenfalls von den französischen 
Unterhändlern nicht erreicht, da der Frankfurter Friede den fraglichen Punkt 
mit keinem Worte berührt. Wir sehen immerhin die Frage noch nicht als
	        
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