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Schweiz.
konnte auch den Kantonen nicht entgehen, welche von derselben zunächst betroffen
wurden, Bern und Basel-Stadt. Beide befürworteten sehr die von uns bereits
eingeleitete Intervention zur bestmöglichen Wahrung der schweizerischen Inter-
essen, wobei sie indessen mehr nur die Abwehr der wirthschaftlichen Nachtheile
ins Auge fassen zu sollen glaubten. Diesen zu begegnen, boten sich drei Mög-
lichkeiten dar: entweder Ausschluß des südlichsten Theils des Elsasses von der
Annexion, oder aber, wenn Deutschland auf vollständiger Loslösung des El-
sasses von Frankreich bestehen sollte, Ueberlassung eines geeigneten Theils des-
selben an die Schweiz, um von Basel aus auf schweizerischem Gebiet eine
möglichst directe Verbindung mit Frankreich und dessen Eisenbahnnetz suchen
zu können, oder aber, wenn auch darauf nicht eingegangen werden sollte, Er-
wirkung von Garantien für directen, durch keinerlei neue Beschränkungen ge-
hinderten, zollfreien Transitverkehr zwischen Frankreich und der Schweiz über
deutsches Gebiet. Auf die erste der drei genannten Alternativen konnte, abge-
sehen von gewissen Nachtheilen militärischer Natur, welche mit einem solchen
Hereinragen einer schmalen Zunge französischen Landes zwischen deutsches und
schweizerisches Gebiet für uns selbst verbunden gewesen wären, schon deßhalb
nicht ernstlich reflectirt werden, weil an ein Eingehen auf ein solches Postulat
deutscherseits nicht zu denken war. Unsere Instructionen an Hrn. Minister
Kern bewegten sich daher auf dem Boden der beiden andern Alternativen,
wobei selbstverständlich betreffs einer allfälligen Veränderung der schweizerischen
Grenze nicht davon die Rede sein konnte, in der Friedensstipulation durch
Frankreich und Deutschland eine solche Territorialveränderung der Schweiz
festsetzen zu lassen, sondern lediglich die Aufnahme einer Bestimmung in die-
selbe zu erwirken, welche der Schweiz die Möglichkeit einer solchen Verein-
barung mit dem neuen Besitzer des Landes gesichert hätte. Diese Fragen
wurden auf der Grundlage unserer Instructionen von Hrn. Kern wiederholt
mit der Regierung der nationalen Vertheidigung in Paris besprochen, und
es bedurfte keiner langen Nachweise, um sie zu überzeugen, daß die Rcttung
eines directen, unbeschwerten Verkehrs zwischen Frankreich und der Schweiz
ebensosehr im französischen wie im schweizerischen Interesse liege, und sie zu
veranlassen, bei den Verhandlungen der Friedenspräliminarien schon ernsthaft
dafür einzutreten. Wir nahmen auch keinen Anstand, dem Grafen Bismarck
unseren Standpunkt in directer Weise auseinandersetzen zu lassen, da wir mit
vollem Recht annehmen konnten, daß Deutschland bei Ausnutung seines Sieges
nicht auch dem neutralen Lande Schädigungen zufügen, und die Bedingungen
späterer Aufrechterhaltung seiner Neutralität erschweren wolle. Hier fand nun
zwar unser Ansinnen eine wenig günstige Aufnahme; indessen brachten doch
die Friedenspräliminarien eine solche Gestaltung der südöstlichen französischen
Grenze, daß wenigstens für den Eisenbahn-Ausgangspunkt bei Pruntrut der
unmittelbare directe Anschluß an das französische Eisenbahnnetz erhalten blieb.
Wenn damit auch etwas, und nicht unwesentliches, gewonnen war, so war
doch mit diesem Zugeständniß, wenn jene sonst allerdings nicht leicht erklärbare
Grenze als ein Zugeständniß für uns angesehen werden konnte, weder unsern
militärischen Bedürfnissen noch den Bedürfnissen des in Basel ein= und aus-
gehenden französisch-schweizerischen Verkehrs Rechnung getragen. Wir fanden
es daher geboten, im Hinblick auf die nach Abschluß der Präliminarien er-
öffneten definitiven Friedensunterhandlungen in Brüssel, unsere Bestrebungen
fortzusetzen, wobei wir, da französischerseits nur unser commercieller Gesichts-
punkt, nicht aber auch unser militärischer, dessen Befriedigung eine Gebietsab-
tretung erheischte, getheilt wurde, uns darauf angewiesen sahen, unsere Be-
strebungen auf möglichst glückliche Lösung der Verkehrsfrage zu concentriren.
Ob und wie diese Frage in Brüssel behandelt wurde, ist uns bis dato unbe-
kannt geblieben; das erwünschte Ziel wurde jedenfalls von den französischen
Unterhändlern nicht erreicht, da der Frankfurter Friede den fraglichen Punkt
mit keinem Worte berührt. Wir sehen immerhin die Frage noch nicht als