Full text: Europäischer Geschichtskalender. Chronik und geschichtlicher Überblick der denkwürdigen Jahre 1870 und 1871. Zweiter Band. (11a)

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                       Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 
mäßig von jedem Einfluß auf Friedensschlüsse ausgeschlossen wäre. Minister 
Graf Bray: Die Vertretung Bayerns beim Friedensschlusse sei zugesichert 
worden und im Allgemeinen auch für alle Fälle durch eine Vertragsurkunde 
festgestellt. Minister v. Lutz: Es sei nicht denkbar, daß Bayern seine Kriegs- 
schulden allein trage und an den preußischen theilnehme. Diese Schulden 
würden voraussichtlich durch die Kriegsentschädigung gedeckt. Daß Bayern an 
der Marineschuld theilnehme, sei selbstverständlich. Die Möglichkeit der 
Aenderung und Entwicklung der Verfassung aus sich selbst solle von den ein- 
zelnen Bundesstaaten nicht gehindert werden; die bayr. Regierung bleibe aber 
dem Landtage für ihre Stimmführung im Bundesrathe verantwortlich. Eine 
Pensionslast werde neben dem ordentlichen Militärbudget nicht erscheinen. Die 
225 Thaler seien Alles, was dem Kriegsministerium zur Bestreitung seiner 
sämmtlichen Bedürfnisse zur Verfügung stehe. Aus der Kriegsentschädigung 
solle für das Uebrige ein Fonds gebildet werden. Ref. Jörg: In Art. 78 
(Veränderungen der Bundesverfassung) liege der zerreibende Charakter des 
Vertrages. Im konstituirenden Reichstage habe der Ref. Twesten als selbst- 
verständlich angenommen, daß die einzelnen Landesvertretungen zu Verfassungs- 
änderungen zustimmen müßten. Die preußische Regierung habe sich auf einen 
entgegengesetzten Standpunkt gestellt. Die Erklärung des Hrn. v. Lutz sei kein 
Trost, denn die Landeskammern würden dann ständig vor vollendete That- 
sachen gestellt sein. Minister v. Lutz: Diese Frage habe die schwersten Be- 
denken bereitet, allein es mußte dazu „Ja“ gesagt werden, wenn die Verträge 
zum Abschlusse kommen sollten. Das bayrischerseits verlangte Veto sei ab- 
gelehnt worden. Der Trost gegen den korrosiven Charakter dieser Bestimmung 
liege in der Lebenskraft des Partikularismus, in dem deutschen Charakter. 
Jörg: Wenn der Partikularismus noch einige Widerstandskraft im Volke 
habe, dann würden die Verträge verworfen werden. Mit diesen Verträgen 
seien die beiden großen Parteien des Landes nicht einverstanden. Die Fort- 
schrittspartei werde darin nur die Basis finden zum Weiterschreiten, und man 
könne sich nicht darauf verlassen, daß der Vertreter im Bundesrathe Dem 
widerstreben werde. Der veränderte Standpunkt der Regierung sei durch den 
Druck der Fortschrittspartei entstanden. Die Aufgabe der Staatsmänner sei 
nicht die, vor den Ereignissen zu verschwinden, sondern diesen Widerstand zu 
leisten. Hr. v. Lutz: Das Ministerium habe seinen Standpunkt nicht ver- 
lassen. Aber auf das Mehr oder Minder der Selbständigkeit eines Staates 
seien die Ereignisse von Einfluß. Die zentralisirende Kraft des Nordbundes 
sei durch die Verträge fernegehalten. Bezüglich des Wunsches nach einer 
kräftigen Regierung sei diese in einer eigenthümlichen Lage. Jede der Parteien 
nehme Preß= und Vereinsfreiheit für sich allein in Anspruch. Der Vorwurf. 
einer preußischen Pression unterlegen zu sein, müsse zurückgewiesen werden. 
Der Grund, warum mit der Initiative nicht mehr erreicht worden sei, liege 
in dem Drange der nationalen Strömung auf den Zusammenschluß. Die 
Theilnahme Bayerns am Kriege sei für das Militärbudget reichlich verwerthet, 
Dem aber entgegengehalten worden, man könne nicht für alle Zeiten auf diese 
Bereitwilligkeit rechnen. Die Regierung sei allerdings später weiter gegangen, 
als sie Anfangs vor hatte, weil es sich zeigte, daß sich nicht Alles erreichen 
ließ. Frhr. v. Hafenbrädl fragt, welche Momente die Regierung bestimmt 
hätten, schon vor dem Friedensschlusse die Initiative zu ergreifen: Abg. Kolb: 
Ohne Mitwirkung des Volkes könne keine befriedigende Verfassung hergestellt 
werden; ohne Feststellung der Grundrechte und der Freiheiten des Volkes 
würden wir mit diesen Verträgen nur ein eisernes Militärbudget erlangen. 
In der Frage über das Militärwesen liege die Entscheidung über Freiheit oder 
Absolutismus. Unsere Rechte kämen nicht in die Hände der Gesammtheit, 
sondern nur in jene des nackten Absolutismus. An den Kriegskostenersatz und 
die Sicherung des Zollvereins hätte vor dem Eintritt in den Krieg gedacht 
werden müssen. Es entstehe die Frage, ob auch die Militärpensionen, welche
	        
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