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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
mäßig von jedem Einfluß auf Friedensschlüsse ausgeschlossen wäre. Minister
Graf Bray: Die Vertretung Bayerns beim Friedensschlusse sei zugesichert
worden und im Allgemeinen auch für alle Fälle durch eine Vertragsurkunde
festgestellt. Minister v. Lutz: Es sei nicht denkbar, daß Bayern seine Kriegs-
schulden allein trage und an den preußischen theilnehme. Diese Schulden
würden voraussichtlich durch die Kriegsentschädigung gedeckt. Daß Bayern an
der Marineschuld theilnehme, sei selbstverständlich. Die Möglichkeit der
Aenderung und Entwicklung der Verfassung aus sich selbst solle von den ein-
zelnen Bundesstaaten nicht gehindert werden; die bayr. Regierung bleibe aber
dem Landtage für ihre Stimmführung im Bundesrathe verantwortlich. Eine
Pensionslast werde neben dem ordentlichen Militärbudget nicht erscheinen. Die
225 Thaler seien Alles, was dem Kriegsministerium zur Bestreitung seiner
sämmtlichen Bedürfnisse zur Verfügung stehe. Aus der Kriegsentschädigung
solle für das Uebrige ein Fonds gebildet werden. Ref. Jörg: In Art. 78
(Veränderungen der Bundesverfassung) liege der zerreibende Charakter des
Vertrages. Im konstituirenden Reichstage habe der Ref. Twesten als selbst-
verständlich angenommen, daß die einzelnen Landesvertretungen zu Verfassungs-
änderungen zustimmen müßten. Die preußische Regierung habe sich auf einen
entgegengesetzten Standpunkt gestellt. Die Erklärung des Hrn. v. Lutz sei kein
Trost, denn die Landeskammern würden dann ständig vor vollendete That-
sachen gestellt sein. Minister v. Lutz: Diese Frage habe die schwersten Be-
denken bereitet, allein es mußte dazu „Ja“ gesagt werden, wenn die Verträge
zum Abschlusse kommen sollten. Das bayrischerseits verlangte Veto sei ab-
gelehnt worden. Der Trost gegen den korrosiven Charakter dieser Bestimmung
liege in der Lebenskraft des Partikularismus, in dem deutschen Charakter.
Jörg: Wenn der Partikularismus noch einige Widerstandskraft im Volke
habe, dann würden die Verträge verworfen werden. Mit diesen Verträgen
seien die beiden großen Parteien des Landes nicht einverstanden. Die Fort-
schrittspartei werde darin nur die Basis finden zum Weiterschreiten, und man
könne sich nicht darauf verlassen, daß der Vertreter im Bundesrathe Dem
widerstreben werde. Der veränderte Standpunkt der Regierung sei durch den
Druck der Fortschrittspartei entstanden. Die Aufgabe der Staatsmänner sei
nicht die, vor den Ereignissen zu verschwinden, sondern diesen Widerstand zu
leisten. Hr. v. Lutz: Das Ministerium habe seinen Standpunkt nicht ver-
lassen. Aber auf das Mehr oder Minder der Selbständigkeit eines Staates
seien die Ereignisse von Einfluß. Die zentralisirende Kraft des Nordbundes
sei durch die Verträge fernegehalten. Bezüglich des Wunsches nach einer
kräftigen Regierung sei diese in einer eigenthümlichen Lage. Jede der Parteien
nehme Preß= und Vereinsfreiheit für sich allein in Anspruch. Der Vorwurf.
einer preußischen Pression unterlegen zu sein, müsse zurückgewiesen werden.
Der Grund, warum mit der Initiative nicht mehr erreicht worden sei, liege
in dem Drange der nationalen Strömung auf den Zusammenschluß. Die
Theilnahme Bayerns am Kriege sei für das Militärbudget reichlich verwerthet,
Dem aber entgegengehalten worden, man könne nicht für alle Zeiten auf diese
Bereitwilligkeit rechnen. Die Regierung sei allerdings später weiter gegangen,
als sie Anfangs vor hatte, weil es sich zeigte, daß sich nicht Alles erreichen
ließ. Frhr. v. Hafenbrädl fragt, welche Momente die Regierung bestimmt
hätten, schon vor dem Friedensschlusse die Initiative zu ergreifen: Abg. Kolb:
Ohne Mitwirkung des Volkes könne keine befriedigende Verfassung hergestellt
werden; ohne Feststellung der Grundrechte und der Freiheiten des Volkes
würden wir mit diesen Verträgen nur ein eisernes Militärbudget erlangen.
In der Frage über das Militärwesen liege die Entscheidung über Freiheit oder
Absolutismus. Unsere Rechte kämen nicht in die Hände der Gesammtheit,
sondern nur in jene des nackten Absolutismus. An den Kriegskostenersatz und
die Sicherung des Zollvereins hätte vor dem Eintritt in den Krieg gedacht
werden müssen. Es entstehe die Frage, ob auch die Militärpensionen, welche