Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 41
vor dem Kriege schon bestanden, unter den 225 Thalern begriffen seien.
Kriegsminister: In den 225 Thalern sei die ganze Leistung für Militär
einschließlich der Pensionen, Getreidepreisdifferenz und des größten Theiles
der außerordentlichen Aufwände enthalten. Die höhere Last gegen die
IX. Finanzperiode betrage 1½ Millionen Gulden. Es gehörten dazu alle
Pensionen, welche auf dem Pensionsetat lasten, außer jenen, welche bereits
auf die Pensionsamortisationskasse überwiesen seien. Die Erübrigungen ge-
hörten selbstverständlich Bayern. Kolb: Was Bayern am Militärbudget
erübrige, könne ein Rechnungskommissär besorgen; es stehe zu befürchten, daß
auch außerordentliche Ausgaben nicht ausbleiben würden. Uebrigens habe sich
ja Bayern verpflichtet, die 225 Thlr. zu verwenden. Dr. Kurz: Von einem
Bunde könne keine Rede sein, wo die Grenzen der Bundesgesetzgebung gar nicht
geregelt seien. Es freue ihn, von dem berechtigten Partikularismus Bayerns
zu hören, aber er befürchte, daß durch Art. 78 die Wege abgeschnitten würden,
diesen Partikularismus zu verwerthen. Da er nun keinen Scheinstaat unter
dem Namen Bayern wolle, müsse er gegen den Vertrag stimmen. Abg.
Freytag erkennt die Vortheile der Einfügung eines kleineren Staates in ein
großes Ganzes; die beabsichtigte Verfassung sei aber kein Gesellschafts-, sondern
ein Subjektionsvertrag zur Herstellung einer eminenten Militärmacht und der
Beschaffung der hiezu nöthigen Mittel. Alles Uebrige seien Nebendinge, welche
die Opfer nicht werth seien, die dafür gefordert würden. Es fehlten diesem
Staatsorganismus alle Garantien für die Rechte seiner Glieder. Selbst Art. 78
sei ja abänderungsfähig. Dr. Krätzer: Mit diesem Vertrage höre die Rechts-
vertretung des Volkes auf. Die Verantwortlichkeit unserer Minister sei nach
einer vollendeten Thatsache werthlos. Dr. Schmid: Diese Verträge paßten
eher für das Jahr 1866 als für 1870, denn sie verdienten das Motto:
„Vae victis“. Abg. Louis betont den nationalen Geist der Verträge. Wenn
der Reichstag die befürchteten Irrwege zulasse, dann solle man in Gottes
Namen diesen Irrweg mitgehen. Die Selbständigkeit Bayerns sei geschichtlich
nur eine eingebildete; der Staat zu klein, um etwas zu bedeuten, zu groß,
um sich einzufügen, ein Spielball zweier Staaten. Bayern habe aus sich
nichts Großes, nichts Würdiges erzeugt. Die Selbständigkeit Bayerns habe
sich 1866 in einer Weise bewährt, die uns die Schamröthe in's Gesicht treibe.
(Hierüber vom Kriegsminister interpellirt, erklärt Redner:) Nicht die Leistung
des bayrischen Militärs an sich sei es gewesen, was er als Beschämendes be-
zeichne, sondern die Kleinheit im Verhältniß zu den mitwirkenden Kräften.
Bayern gehe auf Grundlage der Verträge einer glücklichen Zukunft entgegen,
seine Kraft werde sich im Anschlusse bewähren. Jörg: Es gebe Männer,
welche es als eine Strafe betrachteten, daß wir eine spezifisch bayrische Existenz
hätten; unter der „eingebildeten Selbständigkeit" Bayerns seit 60 Jahren
habe doch die bayrische Verfassung unerschüttert bestanden, deren Grundbegriff
jetzt aufgehoben werden solle. Dr. Ruland: Nur unsere Verfassung könne
uns in dieser Frage leiten. Die Verträge seien aber die Auflösung dieser
Verfassung, es verlören damit Krone und Volk. Wolle die Krone ihre Rechte
aufgeben, Das könne er nicht hindern, obgleich er immer geglaubt habe, sie
sei ein Fideikommiß, nicht eine res mancipii; für das Volk aber könne er
diese Verträge nicht annehmen. Die Souveränetät, die sich seit dem west-
phälischen Frieden herausgebildet, und an welche das Volk sich gewöhnt habe,
sei dadurch vernichtet. Er habe nur ein Herz, das könne nicht Zweien ent-
gegenschlagen. So lange Jemand nicht sich selbst aufgebe, könne er nicht zu
Grunde gehen. Sei man nicht mehr werth, selbständig zu sein, dann solle
man gleich Alles hingeben. Niemand werde eine deutsche Geschichte machen,
als das deutsche Volk, dieses aber halte auf die Selbständigkeit und Eigen-
thümlichkeiten seiner Stämme. — In der Sitzung vom 29. Dez. gab zunächst
Minister v. Lutz eine kurze Entstehungsgeschichte der Verträge. Vor Ankunft
des Herrn v. Delbrück in München habe sich schon bei Gelegenheit der Be-