Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 49
Bedarfes für Invaliden und Angehörige von Militärpersonen. In Bezug
auf die politische Zwangslage weist Referent der Behauptung gegenüber, daß
Preußen bloß Bayerns wegen das Zollparlament nicht bestehen lassen werde,
darauf hin, daß der Zollverein lange Jahre hindurch auch ohne Zollparlament
segensreich bestanden habe. Uebrigens könne Niemand sagen, wie sich die all-
gemeinen Verkehrsinteressen in sieben Jahren zu unsern Gunsten umgestalten
würden; denn es sei nicht zu leugnen, daß der gesammte südliche Verkehr auch
für Preußen selbst größere Wichtigkeit gewinne. Was die Pfalz anlange,
könne und müsse im schlimmsten Falle besondere Vorkehr für diese Provinz
getroffen werden. Jedenfalls erscheine es als eine eigenthümliche Zumuthung,
daß ein Land von der Größe und Bedeutung Bayerns aus Rücksicht auf eine
einzelne kleinere Provinz seine ganze politische Existenz darangeben solle. In
Betreff der politischen Isolirung Bayerns habe man im Ausschusse aus kom-
petentem Munde (durch den Minister Grafen v. Bray) bestätigen hören, daß
die Lage Bayerns an sich noch ebenso unangreifbar sei, wie vor dem Kriege.
Gerade durch die Annahme der Verträge könnte die politische Sicherheit
Bayerns im höchsten Grade gefährdet werden. Das Minoritätsgutachten be-
zeichne es als einen Hauptvortheil der Verträge, daß „der casus foederis aus
der Welt geschafft werde“. Gerade hierin liege aber ein sehr schweres Be-
denken. Denn der Gedanke liege außerordentlich nahe, daß die Verträge im
Laufe weniger Jahre Bayern zwingen würden, an der Seite Preußens und
Rußlands gegen die zehn Millionen deutscher Brüder in Oesterreich zu kämpfen.
Nachdem Art. IV des Prager Friedens von Preußen thatsächlich aufgehoben
und förmlich gekündet worden, erscheine auch die Ausschließung Oesterreichs
aus Deutschland thatsächlich als widerrufen. Somit habe Bayern freie Hand,
freundschaftliche Beziehungen sowohl zu Preußen als zu Oesterreich zu pflegen
und zwar ohne Prokurator. Dieß allein entspreche auch seiner Geschichte und
seiner natürlichen Lage, die sich hierin wesentlich von der der andern drei
Südstaaten unterscheide. Wäre Das etwa kein Deutschland, wenn die Trias-
Idee ins Leben träte: ein deutscher Kaiser mit einer Suite mediatisirter Fürsten,
ein wirklicher König in Deutschland und der Erzherzog der deutschen Ostmark?
Das Minoritätsgutachten wolle die Kammer auch dadurch in eine Zwangslage
versetzen, daß es sich auf die Schritte berufe, die der König zum Behuf der
Wiederherstellung der Titel von „Kaiser und Reich" gethan habe. Aber indem
der König der Veranlassung zu dem bezeichneten Schritte nachkam, habe er
jedenfalls nicht der freien Zustimmung oder Nichtzustimmung der Landesver-
tretung zu den Verträgen präjudiziren können und wollen. Mit der Nicht-
annahme der Verträge brauche auch nicht der fragliche Schritt zurückgethan
zu werden; auch dann habe der Titel von „Kaiser und Reich“ noch den ge-
bührenden Inhalt. Auch daß, in einer geschäftsordnungsmäßig nicht zu er-
wartenden Weise, die Kammer der Reichsräthe mit ihrer Entscheidung über
die Verträge voranzueilen veranlaßt worden sei, könne keinen Grund für die
Stellung der Abgeordnetenkammer abgeben. Die Kammer der Reichsräthe sei
unbetheiligt bei jeder Berufung an das Land; der Kammer der Abgeordneten
aber stehe es wohl an, es der Regierung zu überlassen, durch eine neue Be-
rufung an das Land die Entscheidung dem bayrischen Volke anheimzustellen.
Mit Recht erkläre das Minoritätsgutachten die mit einer Kammerauflösung
verbundene Agitation für wenig einladend. Im Ausschuß habe man aus
kompetentem Munde gehört, daß nicht so fast eine von außen drohende Gefahr
das Eingehen der Verträge zur Nothwendigkeit gemacht habe, als vielmehr
die bestehende und noch mehr drohende „innere Agitation". Diese Agitation
werde aber durch die Annahme der Verträge keineswegs aufhören, sondern
nur nach innen und außen frische Wege einschlagen. Nach innen würde die
finanzielle Mehrbelastung zu Bundeszwecken das Bestreben veranlassen, an den
Kosten des Sonderwesens zu sparen, und es werde dieses Streben zugleich als
ein kräftiger Hebel benützt werden, um in Bezug auf die inneren Landes-
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