Klebersicht der Ereignisse des Zahrts 1871. 553
Unterschied des Niveaus nur 60 Centimeter. Eine Arbeit, auf die die ganze
Menschheit stolz sein kann, ist mit dieser Alpenbahn fertig geworden und wohl
konnte auf dem Festmahl zu Turin das Wort gesprochen werden: „Es gibt
keine Alpen mehr.“ Er hatte einen friedlicheren, edleren Sinn als das
Despotenwort dem es nachgebildet worden: il ya plus de Pyrénées.
Das von Parteienhader zerfleischte Spanien hat die eiserne Hand
nicht gefunden, die seiner Regierung so nöthig ist, wie das tägliche Brod.
Der blutjunge König Amadeus hat mehr Ernst und guten Willen gezeigt,
als ihm Viele zugetraut haben mochten, aber eine Verwaltung, wie sie dies
unglückliche Land braucht, ist ihm zu bilden nicht gelungen. Die Ermordung
Prims hatte jener Union aller freisinnigen Parteien den letzten Stoß gegeben,
die die Septemberrevolution von 1868 gemacht und seitdem die öffentlichen
Dinge leidlich gelenkt hatte. Ein halbes Jahr versuchte Serrano im Geiste
der einst so freudig begrüßten, so wohl gemeinten Union weiter zu regieren.
Er scheiterte an dem Zerfalle der ehemals ergebenen mayoria im Parlamente
und im Juli ergriff ein reines Demokratenministerium unter Vorsitz von
Manuel Ruiz Zorrilla das Ruder. Dieser erste bürgerliche Minister-
präsident der neuen Aeru hatte im Kampfe gegen die Priesterherrschaft, als
Haupturheber der Gesetze über Religionsfreiheit und den Volksschulunterricht
sehr gediegene Verdienste um sein Land, und welches Vertrauen gleich seine
ersten Versuche fanden, in dem Chaos der Beamtung und der Finanzen
energisch aufzuräumen, das bewies der begeisterte Jubel, mit welchem jetzt
der König auf seiner Reise durch die nordöstlichen Provinzen empfangen
ward. Nur kurze Wochen dauerte der Traum von der Wiederkehr besserer
Tage. Die Ränke im Parlament ließen nicht nach. Kaum war der König
von seiner Rundfahrt zurückgekehrt, als Zorrilla seine Entlassung einreichte,
weil Sagasta, anstatt des von ihm begünstigten Rivero, Präsident der
Cortes geworden war und dieser bildete im November unter Vorsitz des Ad-
mirals Malcampo ein Ministerium von lauter Nullen — die Regicrung
der „dunklen Männer“ nannte es der Volkswitz — das schon am 19. Dec.
nach fürchterlichen Scandalen im Parlament ihm selber Platz machte, ohne
aber die mindeste Aussicht auf die innere Genesung des Staates zu eröffnen.
Aus Portugal hat die Presse von Nichts als Ministerwechseln berichtet, die
aufzuzählen gänzlich zwecklos ist.
Die Schweiz erlitt zu Anfang des Jahres eine bewaffnete Invasion,
auf die sie nicht gefaßt war. 80,000 Mann der Armee Bourbakis traten
über ihre Grenze, physisch und moralisch in einem Zustande, nicht unähnlich