554 Nebersicht der Ereignisse des Lahreg 1871.
dem, in welchem Ende 1812 die Trümmer der großen Armee aus Rußland
zurückgekommen waren. Das unwürdige Betragen Vieler der internirten
Offiziere gegen ihre Mannschaften wie gegen ihre schweizerischen Wirthe war
geeignet, die Bewunderung abzukühlen, die alles französische Wesen auch in
der deutschen Schweiz bisher genoß. Gleichwohl fand sich in Zürich ein
Pöbel, der von Franzosen geführt am 9. März die in der Tonhalle zum
Friedensfest versammelten Deutschen, Herren und Damen, wie eine Mörder-
bande überfiel, eine Bürgerwehr, die dem thatlos zusah und ein Regierungs-
chef, der öffentlich erklärte: an solchen Dingen, seien die Deutschen selber
schuld, warum erheben sie auf einmal den Anspruch, eine große Nation zu
sein! Das müsse nothwendig Erbitterung hervorrufen! Die Verfassungs-
bewegung der Eidgenossenschaft aber kam seit den in diesem Kriege ge-
sammelten Lehren in lebhafteren Fluß. Die bisherige Milizverfassung, von
deutschen Nadikalen als unübertreffliches Muster gepriesen, ward von den
klarblickenden Militärs der Schweiz selber als in hohem Grade reformbedürftig
erkannt, und dies führte unmittelbar auf die Wurzel alles Uebels: das
Ueberwuchern der Kantönlisouveränität. Die Bundesrevision, die nun begann,
aber erst im folgenden Jahre zum Abschluß gedeihen sollte, hatte die Absicht, der
Gesetzgebung wie der ausführenden Gewalt der Eidgenossenschaft mehr Einheit
und Kraft zuzuführen, als sie bislang besessen hatte.
In Schweden und Norwegen scheiterten die Bestrebungen des
Königs Carl XV. Johann, politisch und militärisch eine Macht zu bilden,
geeignet, ihm das Gewicht in den europäischen Dingen zu verschaffen, das er
während des deutsch-französischen Kriegs besonders schmerzlich entbehrt hatte.
Der norwegische Storthing verwarf am 17. April den neuen Unionsvertrag
mit Schweden und der schwedische Reichstag seinerseits verwarf die Armce-
reorganisation. Des Königs seltsame Weltpläne enthüllt ein „an Schweden“
gerichtetes Gedicht von ihm, in dem die Verse vorkommen:
„Dein Name ist von Ruhm umglänzt, Mit Lorbeern ist dein Haupt
bekränzt! O, flichtst Du Dir nicht neue! Bist müde Du zu kämpfen schon,
Für Recht und Freiheit, Ehr und Treue, Für Deine heilige Mission?
Vom engen Sinn des Tags unmstrickt, Ach, ist in Selbstsucht denn
erstick Die Flamm' in deinem Herzen! Der Klageruf der Welt umher,
Der wilde VBölkerschrei der Schmerzen, Erreicht er schon dein Ohr nicht
mehr? — Wohlan, du kleine Streiterschaar, So schwinge wieder wunderbar
Das Schwert des Herrn hienieden! Mit ihm in goldner Sonnenpracht,
Wirst glorreich Du für Licht und Frieden Dann schlagen Deine schönste