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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
ertheilt Abends den Friedenspräliminarien mit 566 gegen 107 Stim-
men ihre Genehmigung.
3. März. (Deutsch-franz. Krieg.) Die Ratification der Friedenspräli-
minarien wird in Versailles ausgetauscht. Paris wird in Folge davon
von den deutschen Truppen wieder geräumt; die deutschen Armeen er-
halten Befehl, dem Vertrage gemäß den Marsch hinter die Seine-
Linie anzutreten.
„ „ (Deutsches Reich.) Allgemeine Wahlen zum ersten Reichstag
des geeinigten Deutschlands.
Resultate: In Altpreußen ergaben die Wahlen 82 conservative, 62 li-
berale, 36 clericale und 13 polnische Wahlen. Gegen die bisherige Vertretung
dieser Provinzen im Reichstage ergibt Dieß: weniger 23 Conservative, 5 Li-
berale und 3 Socialdemokraten, mehr 29 Clericale und 2 Polen. Was die
neupreußischen Provinzen anlangt, war Hannover bisher im Reichstage
durch 14 Nationalliberale, 4 Autonomisten und 1 Freiconservativen vertreten.
Aus Angst vor den Autonomisten haben die Nationalliberalen jetzt einen
zweiten Conservativen, ihren Oberpräsidenten v. Stolberg, in dem bisher
nationalliberalen Wahlkreis Melle durchkommen lassen. Die hannover'sche
Coalitionspartei entbehrt seit Eintritt des Belagerungszustandes der Tages-
presse, ihre Führer sind viele Monate hindurch internirt gehalten worden;
gleichwohl hat sich die Partei nicht nur in ihren bisherigen vier Wahlkreisen
behauptet, sondern den Nationalliberalen noch weitere vier Kreise abgenommen,
so daß Hannover jetzt durch 8 Mitglieder der Coalitionspartei, 2 Conservative
und 9 Nationalliberale vertreten sein wird. Hessen hat wie früher gewählt,
7 Nationalliberale und 1 Clericalen (Fulda). Nassau hat statt 2 Con-
servativer, 2 Nationalliberaler und eines Fortschrittsmanns diesmal 3 Fort-
schrittsmänner, 1 Clericalen und 1 Conservativen gewählt. Frankfurt a. M.
hat statt Rothschild Sonnemann (Volkspartei) gewählt. Schleswig-Hol-
stein wird durch 7 Liberale, 1 Conservativen und 1 Dänen vertreten sein.
Lauenburg hat statt eines Junkers diesmal einen Nationalliberalen gewählt.
Im Ganzen haben die neupreußischen Provinzen gewählt: 28 Liberale (4 we-
niger als bisher), 4 Conservative (1 weniger), 3 Clericale (2 mehr) und
8 Autonomisten (4 mehr). Der clericale Windthorst ist dabei den Autono-
misten zugezählt. Was die norddeutschen Staaten außerhalb Preußens be-
trifft, hat Mecklenburg, in welchem jetzt zum ersten Mal statt nach der
Eintheilung in Städte, Domanium und Ritterschaft nach geographisch abge-
rundeten Wahlkreisen gewählt wurde, seine beiden Junker beseitigt und aus-
schließlich liberal gewählt. Im Ganzen stellen die norddeutschen Kleinstaaten
34 Liberale (3 mehr), 3 Conservative (3 weniger) und 1 Clericalen (Oldenburg).
Das Königreich Sachsen wählte bisher 2 Conservative, 5 Bundesstaatliche,
10 Liberale und 6 Socialdemokraten oder Volksparteimänner. Der Ausfall
der jetzigen Wahl ergibt 12 Nationalliberale, 5 Fortschrittler, 4 Bundes-
staatliche und 2 Socialdemokraten (Bebel und Schraps).
Besonders bemerkenswerth für die Wahlen in Norddeutschland sind die
Erfolge der Clericalen. Als Candidaten wurden nur Personen aufgestellt,
welche sich verpflichteten, im Reichstag einer besonderen katholischen Fraktion
(der Name für dieselbe ist noch vorbehalten) beizutreten. Selbst solche bis-
herige Abgeordnete, welche in jeder Beziehung sich als treue Katholiken er-
wiesen hatten, wurden fallen gelassen, wenn sie diese Verpflichtung nicht ein-
gehen wollten. Diese Agitationen haben großen Erfolg gehabt. Viele Liberale
schenkten der Wahl nicht die gehörige Aufmerksamkeit; mehrfach mangelte der
Partei auch die Organisation, jedenfalls war die Betheiligung der Nicht-
clericalen am Wahlakte sehr gering. Die preußische Regierung verhielt sich