Full text: Europäischer Geschichtskalender. Chronik und geschichtlicher Überblick der denkwürdigen Jahre 1870 und 1871. Zweiter Band. (11a)

                   Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.                       75 
den Clerikalen gegenüber neutral. So haben die Clerikalen fast in sämmt- 
lichen Wahlkreisen Norddeutschlands mit vorwiegend katholischer Bevölkerung 
ihre Candidaten durchgebracht. Von 17 Wahlkreisen Westphalens gehören 
ihnen 8, von 35 Wahlkreisen der Rheinprovinz mindestens 24. Außerdem 
haben sie in Oberschlesien 5, auf dem Eichsfelde 1, Allenstein-Rössel 1, in 
Fulda 1 und in Goarshausen-Braubach 1 Candidaten durchgebracht. Aus 
Hannover ist außerdem der doppelt gewählte Windthorst zu den Clericalen 
zu rechnen. Bezeichnend war, daß die Clericalen auch in den übrigen Wahl- 
kreisen, wo sie wegen überwiegend protestantischer Bevölkerung keine Aussichten 
hatten, ihre eigenen Candidaten aufstellten, so in Elberfeld-Barmen, Berlin, 
Wiesbaden, Frankfurt a. M. Im Ganzen haben die Clericalen 43 Wahl- 
kreise erobert, während sie bisher höchstens 10 beherrschten, von den 33 neu- 
eroberten Plätzen etwa 16 den Liberalen und 17 den Conservativen abge- 
nommen. Abgesehen von religiösen Fragen, umfaßt sie die größten politischen 
Gegensätze, den hochconservativen v. Savigny und den radicalen Dr. Krebs, 
der mit Johann Jacoby in den letzten Jahren im preußischen Abgeordneten- 
hause das ganze Budget verweigerte; im Ganzen überwiegen indeß die con- 
servativen die liberalen Elemente in der Partei. 
       Was Süddeutschland betrifft, so haben in Bayern die Clericalen 
oder Patrioten verhältnißmäßig eine entschiedene Niederlage erlitten, indem 
sie nur 18 der Ihrigen gegen 30 Liberale aller Schattirungen durchzusetzen 
vermochten. Württemberg wählte 13 rein nationale, 2 national-clericale 
und 2 volksparteiliche Abgeordnete, Baden 12 Nationalliberale und 2 Cle- 
ricale, Hessen 6 Nationalliberale und 2 Freiconservative. 
      Im Ganzen halten sich die mehr liberalen und die mehr conservativen 
Elemente im künftigen Reichstag so ziemlich das Gleichgewicht, eher ist ein 
Ueberwiegen der ersteren als der letzteren vorauszusehen. 
4. März. (Deutsch-franz. Krieg.) Eine kais. Cabinetsordre befiehlt 
 
 
 
 
 
die theilweise Demobilmachung der Armee. 
7.   „ (Deutsch-franz. Krieg.) Die von den deutschen Truppen 
vertragsmäßig geräumten Forts auf dem linken Seineufer vor Paris 
werden von der franz. Militärbehörde wieder in Besitz genommen. 
11.  „ (Deutsch-franz. Krieg.) In Ferrières werden zwischen dem 
franz. Minister Jules Favre und den deutschen Generalen v. Stosch 
und v. Podbielski über den Transport der franz. Kriegsgefangenen, 
die Benützung der Eisenbahnen, Post und Telegraphen, sowie über 
die Verpflegung der deutschen Truppen in Frankreich Conventionen 
abgeschlossen. 
12.  „ (Deutsch-franz. Krieg.) Versailles wird von den deutschen 
Truppen geräumt. Der Kaiser in Ferrières. 
13.  „ (Deutsch-franz. Krieg.) Der Kaiser verläßt Ferrières, um 
nach Deutschland zurückzukehren. 
15.  „ (Deutsch-franz. Krieg.) Der Kaiser trifft wieder auf deut- 
schem Boden in Saarbrücken ein und erläßt einen Abschieds-Tagsbefehl 
an die Armee. Feierlicher Einzug in Frankfurt. 
„  „ (Elsaß-Lothringen.) Der Reichskanzler verfügt die Errichtung 
zweier Schullehrerseminarien, eines katholischen in Straßburg und 
eines protestantischen in Colmar,
	        
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