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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
dieser Aufgabe betraut haben, die Fälschung nicht selber ersonnen, sondern sie
aus gutem Glauben von andern (von Cardoni u. a.) entlehnt; sollte er jedoch
gesonnen sein, seine Arbeit in der vorgeschlagenen Conferenz zu vertheidigen,
so würde er mich bereit finden, binnen wenigen Stunden entweder meine Be-
hauptung zu erhärten oder, falls mir dieß nicht gelänge, ihm öffentliche Ehren-
erklärung zu leisten. Nur die eine Bedingung glaube ich bei der Tragweite
der Sache stellen zu sollen: daß die königl. Staatsregierung ersucht werde,
einen in geschichtlichen und kirchenrechtlichen Materien bewanderten Staatsbe-
amten als Zeugen der Conferenz beiwohnen zu lassen. Da die Sache auch
für alle Regierungen von hoher Bedeutung ist, so darf wohl angenommen
werden, daß dieß staatlicherseits nicht werde verweigert werden.
„Es fehlt in vergangenen Zeiten der Kirche nicht an Thatsachen, welche
zeigen, daß mein Vorschlag den Principien wie der Praxis der Kirche ent-
spricht. So wurde im Jahre 411 eine Conferenz von 286 katholischen und
279 donatistischen Bischöfen in drei Sitzungen unter dem Vorsitze des kaiser-
lichen Staatsbeamten Marcellinus gehalten und die streitige Lehre von der
Kirche durchgesprochen, worauf der letztere zu Gunsten der katholischen Bischöfe
sich entschied. Im Jahre 1433 erschienen böhmische Kalixtiner auf dem Concil
zu Basel, ein schon 18 Jahre vorher auf der Constanzer Synode erlassenes
Decret über die Communion unter einer Gestalt ward nun einer neuen Be-
sprechung und Prüfung unterzogen, und die Folge waren die auch von dem
päpstlichen Stuhl anerkannten Compactaten, welche den Böhmen ein sehr wich-
tiges und tiefgreifendes, dem älteren Beschlusse derogirendes Zugeständniß
machen. Noch größere Aehnlichkeit mit der von mir vorgeschlagenen Ver-
handlung hat die in der französischen Geschichte so berühmte Conferenz zwischen
dem Bischof Du Perron von Evreux und dem protestantischen Staatsmann
und Gelehrten Du Plessius Mornay, die im Jahre 1600 zu Fontainebleau
auf Veranstaltung des Königs Heinrich IV. stattfand. Es handelte sich um
den Nachweis, daß Mornay in seinem Buche von der Eucharistie eine beträcht-
liche Anzahl von Stellen gefälscht oder unrichtig angezogen habe. Heinrich
führte selber den Vorsitz, die angesehensten Männer beider Kirchen waren als
Zeugen gegenwärtig. Sie ward nach einigen Tagen, und nachdem eine An-
zahl von Stellen, die Mornay angeführt hatte, geprüft worden war, durch
die Krankheit des letztern unterbrochen, brachte jedoch auch so eine der katho-
lischen Sache ungemein günstige Wirkung in den damals so gespannten Ge-
müthern hervor.
„Hochwürdigster Erzbischof ! Ich stelle es ganz Ihrem Ermessen anheim,
welche Form Sie der von mir gewünschten und gewiß unzähligen Katholiken
Deutschlands willkommenen Conferenz geben, welche Männer Sie noch zu-
ziehen oder mir entgegenstellen wollen; an Theologen von Beruf, welche gewiß
bereitwilligst ihrer Einladung folgen werden, ist in Ihrer Diöcese kein Mangel.
Daß eine Glaubensfrage ebenso sehr Angelegenheit der Laien als der Geist-
lichen sei, und auch jene einen Antheil an der wissenschaftlichen Erforschung
und Constatirung der Traditionen nehmen dürfen, zeigt die Praxis der Kirche
und haben die Päpste und die Teologen anerkannt. Hier, wo es sich um
geschichtliche Beweisführung handelt, unterwerfe ich mich gern auch dem Urtheile
der angesehensten Historiker deutscher Nation und katholischen Bekenntnisses.
Männer wie Ficker, Reumont, Höfler, Arneth, Kampschulte, Cornelius, Lorenz,
Wegele, Aschbach mögen ihrerseits urtheilen, ob meine Beweisführung critisch
und historisch richtig sei oder nicht. Ew. Excellenz haben ehedem mein Buch
über das erste Zeitalter der Kirche, das apostolische, mit ihrem Beifalle beehrt,
und in Deutschland wurde es allgemein von katholischer Seite als eine treue
Darstellung der Zeit der Grundlegung betrachtet; selbst aus dem jesuitisch-
ultramontanen Kreis ist kein erheblicher Tadel bekannt geworden. Wenn nun
aber die neuen Decrete Wahrheit enthalten, dann trifft mich der Vorwurf,
die Geschichte der Apostel verkehrt dargestellt zu haben. Der ganze Abschnitt