Full text: Europäischer Geschichtskalender. Chronik und geschichtlicher Überblick der denkwürdigen Jahre 1870 und 1871. Zweiter Band. (11a)

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                         Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 
Deutschkands, daß es nicht unsere Aufgabe sein soll, in das innere Leben 
fremder Nationen einzugreifen. (Beifall.) Damit werden wir gar nicht darauf 
verzichten, alle Angriffe kräftig zurückzuweisen. Aber wir hoffen, daß damit 
die Verirrungen, von denen ich gesprochen, im Keime erstickt werden; wir 
werden so uns den Frieden sichern und dem Auslande die Genugthuung einer 
friedlichen Politik geben. Wir werden damit aber auch zur Abwehr jederzeit 
gerüstet sein. Stark genug sind wir mit unserer Heereseinrichtung jedem 
Angriff eines einzelnen Landes gegenüber, stark genug selbst gegen eine Koalition 
mehrerer Staaten, und die Staatskunst, welche die letzten Jahre die deutsche 
Politik gleichmäßig kühn und umsichtig mit fester Hand geleitet hat, wird 
dafür sorgen, daß größere Gefahren unserem Vaterlande erspart werden, und 
darin auf unserer Seite für jetzt und künftig eine kräftige Stütze finden. 
(Beifall.) Stark in unserer Kraft werden wir von anderen Völkern nicht an- 
gegriffen werden und die Zeit haben, die Culturaufgaben zu entwickeln, die 
ganz besonders das deutsche Volk durch seine reichen und köstlichen Gaben zu 
erfüllen berufen ist. (Lebhafter Beifall.) Reichensperger (Crefeld): In 
andern Ländern werden Adreßdebatten dazu benutzt, nicht nur die Gegensätze 
der Parteien in ihrer Schärfe aufzudecken. sondern auch die Ministerien zu 
bekämpfen. Um alle diese Zwecke handelt es sich Gottlob hier nicht, sondern 
diese Debatten haben in erster Reihe den Zweck, uns darüber zu verständigen, 
was uns allen gemeinsam ist. Aber dann soll man alle historischen Rückblicke 
und Exkurse vermeiden. Wir haben daher in dem Entwurf des Vorredners 
Alles gestrichen, was nicht die Gegenwart und die Zukunft betrifft, denn in 
unseren Vätern haben wir alle gesündigt. Daran schließt sich der Passus von 
der Nichtintervention, den wir auch gestrichen haben. Daß wir deßhalb keine 
kriegerische Absicht haben, darüber können Sie beruhigt sein. Wir wollen, wie 
Sie, die friedliche Entwicklung des Reiches und seines Verhältnisses zu den 
Nachbarstaaten. Einen positiven Ausdruck über die Eventualität einer Inter- 
ventionspolitik haben auch wir gesucht, aber, wie ich aufrichtig bekenne, nicht 
gefunden. Der Passus, daß wir andere Völker schlechthin sich selbst zu über- 
lassen haben, ist lediglich ein theoretischer und praktisch nicht zu billigen. 
Bisher galt es für Christenpflicht, löschen zu helfen, wenn das Haus des 
Nachbarn brennt (Unterbrechung links), aber diese Christenpflicht scheint für 
Die, die mich unterbrechen, ein überwundener Standpunkt zu sein, vielleicht 
leuchtet sie als eine Pflicht der Selbsterhaltung im eigenen Interesse besser ein. 
Wenn in einem Staate eine große Gährung ausbricht, dann soll dieses große 
deutsche Reich im Herzen Europas sich dagegen nicht schützen und erst dann Dämme 
bauen, wenn der Durchbruch erfolgt ist? Dem Heereszuge über die Alpen 
will ich nicht das Wort reden, aber ihm auch nicht absolut den 
Riegel vorschieben. Denn die Traktate, auf denen das Gleichgewicht Europas 
ruht, können in so unerhörter Weise erschüttert werden, daß man den Folgen vor- 
beugen muß, wenn es sein muß, durch die ultima ratio. Uns ziemt es nicht, 
den gestürzten Herrscher nachzuahmen, der die Verträge von 1815 als detestabel 
bezeichnete. Wir wollen nicht den Gegensatz, sondern die Einheit von Kaiser 
und Papst (lebhafte Unterbrechung), ich sollte meinen, daß Das ein berechtigter 
Wunsch ist. Was den Rest der Adresse betrifft, theilen wir den Wunsch, die 
Wunden des Krieges zu heilen, aber nicht die Aufforderung zur Beschleunigung 
einheitlicher Gesetze; denn die Fruchtbarkeit auf dem Gebiete der Gesetzgebung 
artet leicht in Superfötation aus, und diese Versammlung soll keine mit der 
Dampfmaschine arbeitende Gesetzesfabrik, sondern der Zweifel eingedenk sein, 
welche Savigny an dem Beruf unserer Zeit zur Gesetzgebung hegte, und des 
Spruches „hic leges, hic mores“. Bloß um der Einheitlichkeit willen soll 
man die alten Gesetze nicht verbrennen, die seit Jahrhunderten mit dem Fleisch 
und Blut der Stämme verwachsen sind. Wo die Einheit wahren Vortheil 
bringt, da wollen wir sie auch. Aber dem Wunsche, die berechtigten Eigen- 
thümlichkeiten der deutschen Staaten zu schonen, vor dem kaiserlichen Throne
	        
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